Auf alternativen Karrierewegen durchstarten
Ob mit oder ohne Abi, ob mit oder ohne Studium – absolut kein Mangel an Möglichkeiten, Chancen und spannenden Betätigungsfeldern
Gehe auf Entdeckungsreise
Über dem vielen Lernen und den Bemühungen, in allen Fächern gut bis sehr gut abzuschneiden, ist möglicherweise das Wichtigste außen vor geblieben: Du selbst! Du mit deinen Begabungen und Fähigkeiten und deiner einmaligen Persönlichkeit. Du wirst nicht überall hinpassen, aber es gibt den Platz, den keiner so gut ausfüllt wie du. Den gilt es zu finden. Eine große Herausforderung. Sie beginnt mit dem Träumen, dem Ausmalen, einem Entwurf. Worauf hast du Lust? Wo zieht es dich hin? Was interessiert dich? Was kannst du besonders gut? Was würdest du überhaupt nicht aushalten? Es ist wichtig, sich diese Fragen vor der Berufswahl zu stellen. Die Entdeckungsreise des Selbst macht Spaß. Vielleicht wirst du von dir selbst überrascht sein.
Nicht selten machen Eltern Druck im Wettlauf um die begehrtesten Ausbildungs- und Studienplätze. Wer das Abi hat, entscheidet unter dem Druck des NC, irgendetwas zu studieren, wofür der Notenschnitt gerade reicht. Hauptsache Uni! Es scheint nur darum zu gehen, irgendwo „unterzukommen“ – und dabei kommst du selbst vielleicht unter die Räder, passt dich an, resignierst.
Folge deinem inneren Kompass
Aber es ist dein Leben. Du hast es in der Hand. Du wirst es führen. Und deine Karriere-Möglichkeiten sind riesig. Du kannst mit und ohne Abitur „on the top“ ankommen, wenn du deinem inneren Kompass folgst. Dir stehen mit und ohne Abi Hochschulen, ja sogar Universitäten offen, jetzt oder später. Du musst aber nicht. Ein akademisches Kürzel vor dem Namen ist kein Siegel für lebenslanges Glück. Aber manchmal ist es die Eintrittskarte für ein Berufsziel. Wähle selbst.
Vielleicht geht es dir wie Lena. Sie ist 34 Jahre alt und Landschaftsarchitektin. Sie entwirft Grünanlagen und ist immer noch am liebsten draußen. Nach dem Abitur hatte sie die Nase voll vom Schulbankdrücken. Ihr Schülerpraktikum hatte sie in einem Lebensmittelladen gemacht und dabei entdeckt, dass ihr der Kontakt zu vielen Kunden Spaß macht, besonders in den Stresszeiten am Abend, wo das Ladenleben eine sportliche Herausforderung war. Sie sehnte sich nach einem Geschäft, in dem immer etwas los ist. Andererseits wollte sie ihre kreativ-gestalterische Begabung ausleben. Sie dachte darüber nach, Schneiderin zu werden und später vielleicht Modegestaltung zu studieren. Doch als sie eines Tages für eine Freundin einen Blumenstrauß kaufte, wusste sie, was sie werden will: Floristin. Nach der Ausbildung machte sie ihren Meister. Danach studierte sie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Landschaftsarchitektur. Lena hat eine sechsjährige Tochter. Manchmal träumt sie davon, ihren eigenen Blumenladen zu eröffnen, wenn ihre Tochter nicht mehr klein ist. Denn eigentlich liebt sie diesen Beruf noch immer. Bereut sie das Studium? Nein, sagt Lena, für ihre familiäre Situation sei die Arbeit im Landschaftsarchitekturbüro optimal, außerdem verdiene sie damit ihren Lebensunterhalt, ganz abgesehen von den spannenden Erfahrungen, die sie sammle. Sie stellt sich vor, später in ihrem Blumenladen Kunden auch bei der Gartengestaltung zu beraten.
Lena ist der Kapitän ihres Lebens. Sie war offen, hat weitergelernt, sogar studiert und auch eine Familie gegründet. Aber das war’s noch lange nicht für sie. Schon entwirft sie den Plan für die nächste Lebensphase und spielt dabei mit dem Wissen und den Erfahrungen, die sie bis jetzt erworben hat.
Setze die Segel, nimm Fahrt auf
Die meisten Ausbildungsberufe bieten Möglichkeiten der Weiterbildung: den Meister, den Fachwirt oder den Techniker zum Beispiel. Und möglicherweise entdeckst du auf deinem Weg, dass du doch noch an eine Universität oder Fachhochschule gehen möchtest. Dann weißt du wahrscheinlich sicherer, für welches Fachgebiet du dich interessierst, denn du hast Praxisluft geschnuppert und es dabei herausgefunden. Du hast im Umfeld deiner Arbeit vielleicht spannende Berufe entdeckt, die du vorher gar nicht kanntest. Könnte sein, dass es dir Spaß macht, als Lehr-Ausbilderin zu arbeiten oder Texte für das Unternehmen zu schreiben und du bekommst Lust auf eine entsprechende Weiterbildung, einen Zweitberuf oder sogar ein Studium.
Vielleicht stellst du ja auch fest, dass du ein Familienmensch bist und froh über geregelte Arbeitszeiten, ein gutes Einkommen und das tolle Team, in dem du arbeitest. Du bist zufrieden damit, als Zahnmedizinische Fachangestellte zu arbeiten. Du musst nicht unbedingt studieren und Zahnärztin werden.
Lote verschiedene Routen aus
Auf der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft hat Lena Noemi getroffen, mit der sie noch immer eng befreundet ist. Noemi sagt, dass sie sich schon immer mehr für den elterlichen Garten als für Mathematik und Physik interessiert hat. Sie ist den Weg gegangen, über den du vielleicht auch schon nachgedacht hast: An einer auf ihr späteres Studienfach spezialisierten Fachschule erwarb sie die Fachhochschulreife, ein Fachabitur, das ihr den Zugang zu entsprechenden Fachhochschulen ermöglicht, die im Gegensatz zur Uni mehr praxisbezogen sind. Mit Lena studierte sie Landschaftsarchitektur. Danach schrieb sie sich für einen Master in Umweltwissenschaften ein, da sie unbedingt im Umweltschutz arbeiten möchte.
Lasse dich nicht vom Kurs abbringen
Fairerweise muss an dieser Stelle gesagt werden, dass mittlerweile in vielen Berufen Abiturienten die besseren Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben, aber es muss nicht sein. Auch hier gilt: Bloß nicht verrückt machen lassen! Alex entschied sich nach der 10. Klasse für die dreijährige Ausbildung zum pharmazeutisch-technischen Assistenten. Nach einigen Berufsjahren begann er ein Pharmazie-Studium – auch Nicht-Abiturienten können unter bestimmten Voraussetzungen Pharmazie studieren – mit 25 Jahren. Damit war er nur wenig später dran als etliche Abiturienten, die wegen strenger NC Wartesemester in Kauf nehmen.
Du kannst eine Berufsausbildung mit Abitur wählen oder ein duales Studium an einer Hochschule oder einer Berufsakademie. Du kannst das Abitur an der Abendschule nachholen oder ein Fachabitur machen. Aber du solltest auch wissen, dass es fast keinen Ausbildungsberuf mehr gibt, in dem dir nicht ein Karrieretreppchen vor die Füße geschoben wird. Es endet längst nicht beim Projekt-, Team- oder Abteilungsleiter, sondern führt in der Regel an eine Fachschule. Ob du die Anstrengung des Lernens auf dich nimmst oder nicht, ist keine Frage der Intelligenz, sondern eher des persönlichen Lebensziels. Natürlich kostet es Zeit und Mühe, sich in den Abendstunden oder am Wochenende auf Seminare und Klausuren vorzubereiten. In der Regel werden die Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten in der Beschreibung der Berufsbilder gleich mitgeliefert. Menschen, die weiterkommen möchten, sind in den meisten Firmen willkommen.
Text: Kathrin Schrader | Fotos: Slider 1: Collage victor zastol‘skiy / Gelpi; Slider 2: Aleksey Ivanov; Slider 3: animaflora; Slider 4: Andrii IURLOV; Hintergrund: Florian Kunde; Anker: vladischern (adobestock.com); Kompass: jameschipper (fotolia.com)
Universität oder Fachhochschule – was ist der Unterschied?
Universität
- Zugang über Abitur
- Natur- und Geisteswissenschaften /Jura /Medizin
- Vorlesungen in Hörsälen /eigenständiges Studieren mit Profcasts /große Seminargruppen
- Professoren kommen aus dem akademischen Bereich, akademische Inhalte
- wenige Universitäten, weite Anfahrtswege
- Promotion möglich
Hochschule/Fachhochschule/ Hochschule für Angewandte Wissenschaften oder University of Applied Sciences
- Zugang über Abitur/Fachabitur/ Meister/Berufsabschluss + einige Praxisjahre
- Technische-/Gesundheits-/Soziale- und Wirtschaftsfächer/Natur und Umwelt/Design
- kleinere, kontrollierte Lerngruppen, Praktika als Teil des Studiums
- Professoren verfügen über Praxiserfahrung, daher praxisorientiertere Inhalte
- doppelt so viele Fachhochschulen, an regionale Wirtschaft angepasst, Studieren in der Nähe des Heimatortes ist in der Regel möglich
- Promotion nicht möglich
Künstlerische Studien-Berufe bilden eine Ausnahme, denn hier gilt: Begabung geht vor Notendurchschnitt. Der Zugang zu einer Kunsthochschule führt über das Vorsprechen, die Arbeitsmappe, Arbeitsproben et cetera.
Welcher Schulabschluss an welcher Schulart (zweiter Bildungsweg)?
- (Qualifizierender) Hauptschulabschluss → Abendschule, Volkshochschule oder ein anderer Bildungsträger
- Mittlerer Bildungsabschluss → Abendrealschule, Berufsfachschule, Berufsschule
- Fachhochschulreife → Abendgymnasium, Berufsoberschule / Fachoberschule, Fachschule
- Fachgebundene Hochschulreife → Fachoberschule Klasse 13 mit einer Fremdsprache, Berufsoberschule
- Allgemeine Hochschulreife → Kolleg (Vollzeit) od. Abendgymnasium (Teilzeit), Berufliches Gymnasium / Fachgymnasium, Berufsoberschule (mit Nachweis der zweiten Fremdsprache), Fachoberschule Klasse 13 mit zweiter Fremdsprache