Altenpfleger (m/w/d)
Respekt, Zuwendung und Verständnis
Mandy Wendland sieht Altenpflege als persönliche Weltverbesserungsmaßnahme
Die Ausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sind zusammengewachsen: Wer Altenpfleger werden möchte, startet eine Ausbildung zur Pflegefachkraft. (Redaktion)
Es war ein Schlüsselerlebnis der traurigen, aber Gott sei Dank seltenen Art: Mandy Wendland besuchte die Oma ihres Freundes. „Diese war bis dahin ein Naturmensch, wohnte mit Hund im Wald und fuhr jeden Tag mit dem Rad.“ Dann stürzte sie vom Rad, musste ins Krankenhaus und ins Pflegeheim – eine reine Verwahrstation, bei der das Personal wenig engagiert war. Drei Monate später starb die Oma – aus ihrer Sicht unwürdig.
„Ich sagte mir: Ich kann nicht viel, aber das will ich ändern!“ Denn ihr stellte sich die Kernfrage aller Pflege, die goldene Regel moralischen Handelns: Will man im Ernstfall selbst so behandelt werden? Nein. So machte die gelernte Großhandelskauffrau zuerst ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem christlichen Dresdner Altenheim. Dort imponierte ihr der herrschende Geist: Alle machten mit, engagierten sich auch nach Feierabend, ständig wurde irgendetwas veranstaltet. Ein weiterer Impuls für die Umschulung zur Altenpflegerin, dank derer sie seit 2001 in der Radebeuler Seniorenresidenz „Am Weinberg“ arbeitet. Nun ist sie angekommen und kann für Menschen da sein, die auf ihre Hilfe angewiesen sind. Sie bringt ihnen Respekt, Zuwendung und Verständnis entgegen. Sie versucht, auf die individuellen Bedürfnisse und Interessen einzugehen. Sie sorgt dafür, dass sie sich wohlfühlen, es ihnen möglich ist, ihr eigenes Ich zu leben.
Mandys Arbeitsalltag ist dabei vom Tagesablauf, der mit dem Wecken, der ersten Medikation und dem Frühstück beginnt, geprägt. „Je nach Mobilität gibt es das am Bett, im Zimmer oder in der Gemeinschaftsküche – bei uns ganz flexibel bis um zehn.“ Danach geht es an die Pflege: Körperwäsche, Bewegungs- und auch Atemübungen, Spiele. Alles immer verbunden mit Kommunikation. So wie mit Irene Wittig, die im großen hellen Zimmer in ihrem schwarzen Sessel sitzt, lacht und winkt.
Den Zeitrahmen für jeden Arbeitsgang gibt das neue Pflegegesetz vor – und zwar genau in Minuten, je nach Einordnung in die fünf neuen Pflegegrade. In vier Wohnbereichen wird in drei Schichten gearbeitet, nachts wacht ein Bereitschaftsdienst. Zum Schichtwechsel nach dem Mittagsessen bleibt genug Zeit für Absprachen mit den Kollegen, Gespräche mit Angehörigen und gesetzlichen Vertretern, das Verfassen von Pflegeberichten, die Abrechnung von Pflegeleistungen u.v.m. „Wir sind Mädchen und Jungs für alles – rund um die Uhr“, fasst sie lachend zusammen.
Ihr Ehrgeiz und die Verantwortung für Bewohner wie Kollegen trieb Mandy immer wieder auf die Verwaltungsakademie: Sie qualifizierte sich zur Wohnbereichs- und Pflegedienstleiterin sowie zur Praxisleiterin, um die Auszubildenden zu betreuen. Heute ist sie Chefin der 20 Pflegekräfte des Heims. Sie berichtet, dass aufgrund des demografischen Wandels die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen steigt, sich die Krankheitsbilder ändern und der Beruf anspruchsvoller wird: „Früh, noch vorm Frühstück, bekommt inzwischen rund ein Fünftel eine Insulinspritze, weil die Zahl der Altersdiabetiker wächst.“ Auch leiden heute wesentlich mehr Senioren an dementiellen Veränderungen. Mandys Anspruch ist, diese Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, auf sie zuzugehen und zu versuchen, sie kennenzulernen, mit ihnen auf einer Wellenlänge zu schwimmen und sie zu motivieren.
Generell arbeiten Altenpfleger eng mit den Ärzten zusammen: Sie messen Temperatur oder Blutdruck, wechseln Verbände, machen Spülungen, verabreichen Medikamente. „Aber wir sind auch eine Art Alltagstherapeut, der einfach nur zuhört oder sprechen übt.“ Keine Frage, der Beruf ist körperlich anstrengend – Lagern, Umsetzen, Waschen – das setzt einiges an Kraft und Technik voraus, und auch die seelische Seite sowie der Umgang mit dem Tod sind nicht zu unterschätzen.
Mandy freut sich, dass die einzige Bewohnerin, die vor ihrer Anfangszeit schon hier lebte, bald 100 Jahre alt wird. „Da kommen der Bürgermeister, die Sparkasse und die Zeitung“, witzelt sie und hofft, dass die demente Dame bis dahin fit bleibt. Jeden Tag macht Mandy einen Heimrundgang und begrüßt jeden der 60 Bewohner persönlich. „Das kommt auch zurück“ – ein Zusatzlohn in Form von Wärme und Vertrauen. Sie wird gedrückt, bekommt irgendetwas geschenkt oder, wenn sie mal zwei Tage hintereinander frei hat, kommt der Kommentar: „Das geht gar nicht!“ Ob sie Lieblinge darunter habe? „Mindestens die Hälfte der Belegschaft“, lacht sie.
Text & Foto oben: Elmar Mann; Foto unten: Kzenon (fotolia.com)