Augenoptiker (m/w/d)
Voll den Durchblick
Oder warum ein Augenoptiker bröckelt
Die Zange erfasst den Rand des Brillenglases. Aber ganz und gar nicht vorsichtig, wie man annehmen könnte, sondern eher kräftig. Es knirscht, aber der Rohling – oder die „Meniske“, wie die Fachleute sagen – splittert nicht, sondern es fallen nur kleine Teile in eine Schale. „Bröckeln heißt das“, erklärt der junge Augenoptiker Sebastian Hilbig. Der 29-Jährige hat den Handwerksberuf im Geschäft seiner Mutter in Limbach-Oberfrohna von der Pieke auf gelernt. Jetzt erwirbt er an der Fachschule für Augenoptik „Hermann Pfister“ in Jena seinen Meisterbrief, um später einmal den Familienbetrieb zu übernehmen. Schnell hat Sebastian mit der Zange den Umfang des Brillenglases verkleinert und es grob in Form gebracht. Das Bröckeln ist eine der grundlegenden Arbeiten, die ein Lehrling lernen muss. Brillengläser werden aber heutzutage zumeist bei den großen Industrie-Firmen je nach Bedarf und in den Stärken für die Kunden individuell bestellt. Beim weiteren Bearbeiten der Gläser hat inzwischen zumeist die moderne Technik Einzug gehalten und es wird fast alles vollautomatisch erledigt. So gibt es heute High-Tech-Automaten, die nur programmiert werden und die dann sowohl Glas oder Kunststoff in die gewünschte Form bringen. „Ein Optiker sollte aber wissen, wie man alle Arten von Brillengläsern bearbeitet. Das ist eine wichtige Grundvoraussetzung für den Beruf“, erläutert Augenoptikermeisterin Gabriele Hilbig. „Jeder Lehrling muss bei Beginn seiner Ausbildung ein kreisrundes Glas von 65 Millimeter Durchmesser auf 40 Millimeter schleifen“, erzählt sie. „Das ist kompliziert und da zeigt es sich, ob jemand das notwendige handwerkliche Fingerspitzengefühl und die Geduld für den Beruf besitzt oder nicht.“
Sohn Sebastian ergänzt: „Manchmal sind die Schrauben, die einen Bügel halten, nicht mal einen Millimeter groß, da sind höchste Präzision und eine ruhige Hand gefragt.“ Als Lehrling hat er eine Brillenfassung entworfen und angefertigt. Im Alltag werden die Fassungen von großen Herstellern produziert und an die Geschäfte geliefert. Hilbigs haben derzeit mehr als 700 verschiedene Fassungen vorrätig. Deshalb muss ein Optiker mit verschiedensten Brillen-Gestellen umgehen können, denn bei Neuanfertigungen oder auch bei Reparaturen sind fast immer Anpassungen notwendig – die Brille soll ja gut sitzen. Aber nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch kaufmännische und Beratungskompetenz sind gefragt. Eine Familie mit einem kleinen Mädchen kommt ins Geschäft, dessen Brille drückt. Sebastian schaut sich die Bügel an und bringt sie wieder in die richtige Lage. Dann darf sich das Mädchen noch ein Brillen-Etui aussuchen – ein „Bett für die Brille“, erklärt er, das sie in den Kindergarten mitnehmen kann. „Mit Menschen umgehen, das gehört auch zum Beruf eines Augenoptikers“, erklärt Sebastian. Besonders bei älteren Menschen gibt es viel Beratungsbedarf, zum Gestell, zu den Gläsern oder auch zu Kontaktlinsen, wenn sie solche möchten. „Die Aufgabe des Meisters ist es, die Augen der Kunden zu prüfen und die richtigen Glasstärken herauszufinden. Wenn ich unerklärliche Veränderungen bemerke, dann bitte ich die Kunden, zum Arzt zu gehen“, sagt Gabriele Hilbig.
Text & Fotos: Brigitte Pfüller