Biomathematiker (m/w/d)
Die Forensik braucht Spezialisten
Holger Schönborn ist Diplom-Biomathematiker
Forensik … Da denkt man an spektakuläre Kriminalfälle, Spurensicherung und geniale Köpfe, die durch diffizile Analysen komplizierte Verbrechen nachweisen. Das ist nicht falsch, aber eben nur der Teil, der uns meist im Fernsehen begegnet. Dahinter jedoch verbirgt sich noch eine Menge mehr Arbeit, denn Spuren müssen nicht nur gesucht und gefunden, sie müssen analysiert und verwaltet werden. Dazu wird in den Laboren spezielle Software benötigt. Die Dresdner Qualitype GmbH entwickelt ebensolche Programme für Landeskriminalämter sowie Klinik- und Lebensmittel-Labore.
„Wir stellen Software bereit für die Forensik“, erklärt Holger Schönborn. Der 26-jährige Biomathematiker hat an der Fachhochschule Zittau /Görlitz studiert, damals noch auf Diplom. Der Diplomstudiengang allerdings existiert heute so nicht mehr.
„Das sechste Semester war ein Praxissemester“, sagt der Görlitzer, der inzwischen in Dresden lebt. „Da habe ich eine Initiativbewerbung an Qualitype geschickt.“ Später hat er auch seinen Praxisbeleg und seine Abschlussarbeit zur Zufriedenheit von Fachhochschule und Firma dort absolviert und ab Herbst 2012 schließlich als Mitarbeiter angefangen. „Ich musste als Praxisaufgabe einen Algorithmus zur komplexen Verwandtschaftsanalyse bearbeiten“, erzählt Holger. „Diese Arbeit wurde dann in die Software integriert.“
Heute arbeitet er in der Abteilung ‚Plattform‘, die Basiskomponenten liefert, welche dann von der Abteilung ‚Produkte‘ zu speziellen Programmen zusammengestellt werden.
Fachhochschule bedeutet viel Praxis
Holger hatte in der Schule die Leistungskurse Mathe und Chemie belegt, war gut in Biologie und liebäugelte zunächst mit einem Werdegang in der Pharmaindustrie. Dann entschied er sich für den stark praxisorientierten FH-Studiengang Biomathematik. „Ich hatte mehr Bio erwartet“, erinnert er sich. „Das hat sich aber schnell aufgeklärt.“ Schließlich war er froh, dass dem nicht so war. „Der Bio-Sektor ist voll, das heißt, Mathematiker haben bessere Marktchancen.“ Und er durfte feststellen, dass gerade Fachhochschulabsolventen mit dem stärkeren Praxisbezug für die Wirtschaft besonders interessant sind.
Kreativität gehört dazu
Holger betont, dass er im Studium viel gelernt hat. „Ein sehr guter Professor hat uns gesagt, dass wir lernen, Probleme zu lösen. Diese Problemlösungsfähigheit braucht man für das komplette Leben.“ Außerdem hat er erst im Studium wirklich verinnerlicht, was es heißt, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Das funktioniere ab einem gewissen Alter und freiwillig sehr viel besser. „Das Abi fällt in ein Alter, in dem man eigentlich wenig Lust auf Schule hat“, sagt er grinsend. Und Recht hat er damit, auch, wenn es paradox klingt. Außerdem betont Holger, dass es keineswegs trocken ist, sich mit Algorithmen und Modellierungen zu beschäftigen. „Man braucht natürlich Kreativität“, betont der Biomathematiker und verweist auf die Programmierung. „Man arbeitet mit komplexen Algorithmen, Datenbanken und Programmiersprachen wie C-Sharp (korrekte Schreibweise C#).“
Bei Qualitype wird die jeweilige Spezialsoftware in Java entwickelt. Sie dient der Analyse von Verwandtschaftsbeziehungen, von Spuren und auch von Fingerabdrücken.
Den Tätern auf der Spur
Für Landeskriminalämter ist Daktyloskopie-Software besonders interessant, also Programme, mit denen man Fingerabdrücke bearbeiten, auswerten und vergleichen kann. Das Landeskriminalamt Sachsen gehört neben dem LKA Niedersachsen und dem LKA Schleswig-Holstein zu den Kunden der Firma. Fingerabdrücke gelten inzwischen seit über hundert Jahren als sicheres biometrisches Verfahren, Täter zu identifizieren. Entdeckt hatte das Verfahren Ende des 19. Jahrhunderts ein Franzose. Verfeinert und in Deutschland eingeführt hat die Daktyloskopie jedoch ein Dresdner: Paul Koettig, Leiter der Kriminalabteilung der Dresdner Polizei und späterer Polizeipräsident. Seine Behörde war die erste im damaligen Deutschen Reich, die das Fingerabdruckverfahren 1903 nutzte. Was damals noch angezweifelt wurde und recht umständlich umzusetzen war, ist heute ein anerkanntes Beweismittel vor Gericht. Diesen hohen Anforderungen muss natürlich auch die Technik gerecht werden.
Holger Schönborn arbeitet vor allem an den Basiskomponenten für die Verwandtschaftsanalyse. Auch dabei handelt es sich um komplette Systeme, die sowohl für große Datenmengen als auch kleine Labore geeignet sind. „Das hat viel mit Statistik zu tun“, berichtet er. „Und Statistik ist gut erklärbar.“ Es geht um die Entwicklung von mathematischen Modellen. Diese Modellierung beschreibt Holger als klassisches Räuber-Beute-System: „Man berechnet die Beute und gelangt so zu den Räubern.“
Text und Foto: Christine Sylvester