Bioniker (m/w/d)
Vom flinken Fisch zum wendigen U-Boot
Master of Science in Bionics lassen sich von der Natur inspirieren und erschaffen Hightech
Was hat die Pampelmuse mit einem modernen Motorradhelm zu tun? Was verbindet Haie mit Hightech-Schwimmanzügen und Delfine mit Modems? Nicht viel? Weit gefehlt, denn wie so oft hat auch hier die Natur der menschlichen Technik einen Denkanstoß gegeben. Kein Wunder, dass der Volksmund meint: „Besser gut kopiert als schlecht selbst gemacht.“
Der Natur über die Schulter geschaut
„Ein Bioniker kopiert die Natur nicht“, berichtigt Professor Megill, Leiter für den Masterstudiengang Bionics / Biomimetics an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. „Durch aufmerksames Beobachten“, fügt der Wissenschaftler hinzu, „lässt er sich stattdessen von dem inspirieren, was die Evolution über Jahrmillionen perfektioniert hat.“
Biologisches Wissen gehört deshalb ebenso zum Lehrstoff wie ingenieurtechnische Fertigkeiten. Je nach persönlicher Vorliebe kann man sich dabei auf bionische Materialien oder Biomechatronik spezialisieren. Doch mit Theorie allein ist es nicht getan. Wer die Bionik meistern will, muss auch ein guter Beobachter sein und Zusammenhänge herstellen können. Deshalb wird im Studiengang sehr viel Wert auf Praxisnähe gelegt – und das nicht nur während der Vorlesungszeit. Denn schon vom ersten Tag an können die Studenten etwa am U-Boot-Projekt der Fakultät mitwirken. Dabei lernen sie von wendigen Meerestieren und übertragen ihre Erkenntnisse in die Technik. Ziel ist der Bau eines möglichst schnellen Unterwassergefährts, welches auf internationalen Wettbewerben das Können seiner Erbauer eindrucksvoll demonstriert.
International ist übrigens ein Wort, das Professor Megills Studenten permanent begegnet – seien es die Kommilitonen aus aller Herren Länder oder die späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Um darauf auch sprachlich vorbereitet zu sein, werden 85 Prozent aller Studiengänge an der Hochschule auf Englisch unterrichtet, so auch der Bionics-Master.
Mathe-Ass, Bio-Überflieger oder doch lieber Allrounder?
Eines gleich vorweg: Ohne Interesse für Naturwissenschaften, vor allem Physik und Biologie, hat man an der Bionik wenig Freude. Ein Leistungskurs muss es dabei aber nicht unbedingt sein. Solides Grundwissen kombiniert mit Spaß an Technik und Natur sind ausreichend. Auch mit Englisch sollte man sich anfreunden können. Das ist nicht nur für den späteren Job von Vorteil, sondern hilft, in den Vorlesungen folgen zu können.
Einen Bachelorabschluss muss man natürlich ebenfalls in der Tasche haben, bevor das Masterstudium in Bionics beginnen kann. Professor Megill rät dazu, entweder eine ingenieurwissenschaftliche Fachrichtung wie Maschinenbau oder Automatisierungstechnik zu wählen oder Biologie zu studieren. In den Vorlesungen und Seminaren wird dann das Wissen aus beiden Fachgebieten aufgefrischt und miteinander verbunden.
Breites Wissen erhöht die Chancen auf den Traumjob
Darf man sich nach anderthalb spannenden Jahren dann endlich Bionics / Biomimetics-Master of Science nennen, stellt sich natürlich die Frage, was man mit diesem Abschluss alles anfangen kann. „Der Beruf des Bionikers ist derzeit noch im Aufbau“, erzählt Prof. Megill und ergänzt: „Auch deshalb ist eine klassische Ausbildung als Biologe oder Ingenieur so wichtig.“ An interessanten Arbeitsstellen mangelt es seinen Absolventen trotzdem nicht. Vor allem in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen vieler Industrieunternehmen sind sie gesuchte Experten. Einige zieht es aber auch in die Biologie, wo sie mit ihrem technischen Verständnis punkten können.
Denn nun wissen die frisch gebackenen Bionikerinnen und Bioniker auch: Die spezielle Struktur in der Pampelmusenschale kann künftig helfen, den Kopf von Motorradfahrern besser zu schützen. Die Haut des Hais verhindert bremsende Wasserwirbel genauso wie ein ähnlich strukturierter Schwimmanzug. Und dank der Datenübertragung nach Art der Delfingesänge verbinden Unterwassermodems schwimmende Messstationen über große Strecken.
Text: Kai Dürfeld | Fotos: Hochschule Rhein-Waal