Dachdecker (m/w/d)
Auf den Dächern der Stadt
Dachdecker (m/w/d) haben den Überblick – um den zu behalten, ist Höhenangst völlig fehl am Platz
Nicht auf dem Dach, sondern ganz bodenständig im Café erzählt mir Robert Kluge von seiner Ausbildung zum Dachdecker. Der 18-jährige Dresdner absolviert momentan sein zweites Lehrjahr und wird im Sommer 2011 seine Lehre beenden. Wie die meisten Ausbildungsgänge ist auch Dachdecker nach dem dualen System strukturiert. Die praktische Seite des Berufs lernt Robert dabei in dem Dresdner Unternehmen Haenes Dach und Fassade GmbH kennen.
„Mit dem Dachdeckerberuf und mir war es gewissermaßen Liebe auf den dritten Blick“, so beschreibt es der angehende Handwerker. Erst nachdem er sich näher informiert hatte, war er überzeugt: „Ich will Dachdecker werden!“ Höhenangst war dabei für Robert überhaupt kein Thema. Als mehrfacher Sächsischer Meister im Wettkampfklettern ist ihm die Höhe seines Arbeitsplatzes sogar richtig lieb. „Mir war außerdem klar, dass ich mit meinen Händen arbeiten und etwas schaffen will“, erklärt er seine Entscheidung und fügt hinzu, dass Büroarbeit überhaupt nichts für ihn wäre. Zum Sitzen kommt man als Dachdecker nun wirklich nicht oft. Im Gegenteil – die Arbeit auf dem Dach ist körperlich sehr anstrengend, denn nicht nur, weil das Material vorbereitet, sondern auch transportiert und verarbeitet werden will. Neben der handwerklichen Betätigung gefällt dem schwindelfreien Azubi, dass sein Arbeitsplatz fast täglich wechselt, und er fügt grinsend hinzu: „Das passt zu mir, ich bin gern spontan.“ Flexibilität und Disziplin beim täglichen Frühaufstehen sind also auch hier gefragt.
So wie es verschiedene Dacharten gibt, müssen auch Dachdecker spezielles Wissen haben. Ein Reetdach wird anders gedeckt als ein herkömmliches Flachdach. Oft sollen Dächer nicht nur praktisch, sondern auch optisch anspruchsvoll sein und dämmen müssen sie außerdem. Auch Gerüstbau gehört zu den Aufgaben. Die theoretische Grundlage zu diesen Fertigkeiten wird während der Ausbildung in der Berufsschule gelegt. Neben den allgemeinbildenden Fächern wie Deutsch und Gemeinschaftskunde wird das berufsspezifische Wissen vermittelt – theoretisch und praktisch. Auch Mathematik, speziell Geometrie, spielt für die Berechnung des Materialbedarfs eine sehr wichtige Rolle. Werden dabei Fehler gemacht, können hohe Kosten und ein enormer Arbeitsaufwand entstehen. Da das Dachdeckerhandwerk vorwiegend im Freien ausgeübt wird, richtet sich der Unterrichtsrhythmus nach der Wettersaison. So gibt es im Winter häufiger Theorieunterricht als im Frühling und Sommer. Im Beruf ist es daher auch nicht unüblich, dass in den kalten Monaten Kurzarbeitsphasen oder gar Pausen von Seiten der Unternehmen eingelegt werden.
Um Theorie und Praxis für die Auszubildenden miteinander zu kombinieren, absolvieren sie vorwiegend während der ersten zwei Lehrjahre außerbetriebliche Ausbildungsblöcke. Dazu wird in Einrichtungen der Handwerkskammern an Dachmodellen das geübt, was später in der Praxis Alltag sein kann. Somit wird gewährleistet, dass die Auszubildenden mit vielfältigem Wissen über alle Arbeitstechniken und Materialien in den Beruf starten können. Für Robert bedeutet das, dass er je nach Art des Daches Ziegel befestigt, Schieferplatten verlegt oder Bitumenlagen aufbringt. „Ich möchte nicht nur Handwerker sein, sondern Dachdecker“, betont er und meint damit, dass man nicht nur kräftig zupacken muss, sondern dass der Beruf auch ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Sorgfältigkeit verlangt. „Auf der Baustelle hat jeder seine Aufgabe, und die muss er korrekt ausüben“, weiß er. Und das bei Wind und Wetter! Nur bei Sturm und Hagel muss keiner auf’s Dach, Sicherheit geht natürlich vor.
Das Know-how der Dachdecker ist unentbehrlich für das Bauhandwerk und wird gerade in Zeiten der Energiespardiskussion vermehrt erforderlich. Mit einer abgeschlossenen Dachdeckerausbildung können etliche Wege, auch europaweit, eingeschlagen werden. Robert konzentriert sich derweil auf seine verbleibende Lehrzeit, um nicht nur auf dem Dach den Überblick zu behalten.
Text: Anne Hallbauer; Fotos: A. Hallbauer/HWK Dresden/TwilightArtPictures/D.Erhardt