Fliesenleger (m/w/d)
Auf den Millimeter
Tim Geßners Job als Fliesenleger erfordert höchste Genauigkeit. Auf seinen Produkten gehen die Menschen später barfuß.
Nur ein feines Kratzen deutet den Schnitt durch die Glasur an. Passt die Fliese an die Stelle, wo sie hinsoll? Vorsichtig drückt Tim Geßner auf die Kanten und die Keramik bricht exakt an der Schnittkante. Der 23-jährige mag es genau. Jeder Millimeter zählt. Schließlich werden über seine Werke später einmal die Mieter der frisch sanierten Wohnung laufen. Vielleicht barfuß auf dem Weg in die Wanne oder zum Waschbecken. Deshalb dürfen auch keine scharfen Schnittkanten an den beigen Fliesen mit dem Strichmuster bleiben. Gut 250 Bäder und Küchen liegen vor Tim und seinen Kollegen. Im Dresdner Norden modernisieren sie gerade ein kleines Wohnviertel.
Tim liebt seinen Job als Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. Vor vier Jahren hat er die Abschlussprüfung am Ende der Ausbildung bestanden und seinen Gesellenbrief bekommen. Sein Lehrbetrieb, die Firma Bau Dresden-Gruna hat ihn direkt danach übernommen. Es ist einer von nicht mehr vielen, die in den Genuss dieser erstklassigen Ausbildung kommen. Denn seitdem die Meisterpflicht weggefallen ist, bilden weniger Firmen Lehrlinge aus. Die wenigen Plätze sind deshalb begehrt.
Inzwischen ist Tim ein erfahrener Handwerker, den auch knifflige Aufgaben nicht aus der Ruhe bringen. Wie die feinen Mosaikteile, die er manchmal in hochwertigen Premium-Bädern verlegt. „Da brauche ich für einen Quadratmeter so lange, wie sonst für mehrere, wenn die Fliesen größer sind.“ Momentan sind es vor allem die großen Wand- und Bodenfliesen, die er täglich bearbeitet. 20 Quadratmeter an der Wand, vier Quadratmeter auf dem Boden.
Die Hauptarbeit ist inzwischen getan. Die Fliesen trocknen in ihrem Kleberbett für die nächsten 24 Stunden. Mit einer Spezialspachtel hat er die Masse auf den rohen Boden gezogen und die Platten hineingedrückt. Auch hier ist immer die maximale Genauigkeit das Maß aller Dinge, sonst bilden sich Unebenheiten im Boden. In der Nachbarwohnung ist alles schon ausgehärtet. Jetzt geht es an die Fugen, die noch millimeterbreit zwischen den Fliesen klaffen. Die Masse aus einer Art Zementpulver ist farblich auf die Keramikplatten abgestimmt. Fuge für Fuge drückt der junge Fliesenleger sie in die Lücken, streicht alles mit einem Gummispachtel glatt.
Nun geht es um jede Minute, denn die Masse beginnt schon kurz nach dem Anrühren zu trocknen. Tims Hände steuern die Schwammkelle über die Bodenfliesen. Der Schleier des Zements verschwindet, die Keramik glänzt schwarz. Sobald alles trocken ist, wird er noch Silikonmasse in Anschlussfugen für die Badewanne und die Toilette spritzen und glatt streichen. In die Wohnung drunter soll schließlich später kein Wasser laufen, wenn die Kinder der Familie mal etwas heftiger in der Wanne planschen.
Tim liebt seinen Job, weil er immer sehen kann, was er geschaffen hat. Ein befriedigendes Gefühl, egal, wie lang der Arbeitstag ist. Vor allem im Sommer sind sie lang – wenn das Baugewerbe auf Hochtouren läuft. Im Winter bummelt Tim dafür Überstunden ab und kann sich auf längere Urlaube freuen und viel mehr Zeit mit seiner Frau verbringen.
Text & Fotos: Tobias Wolf