Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (m/w/d)
Verständnis, Vertrauen & Verantwortung
Als angehende Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe auch für „Ärzte ohne Grenzen“ unterwegs
Anmerkung der Redaktion: Das Berufsbild nennt sich inzwischen Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Lächelnd kommt mir Johanna Brückner (31) durch die Tür des St. Elisabeth Krankenhauses Halle entgegen. Zu Studienbeginn hätte niemand eine Wette auf diesen Einsatzort und ihr jetziges Fachgebiet platziert: Sie befindet sich in der 5-jährigen Ausbildung zur Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Wenn alles optimal läuft, könnte sie damit 2013 nach einer letzten mündlichen Prüfung fertig sein. Momentan besteht ihr Alltag auf der gynäkologischen Station aus morgendlicher Visite, Entlassungen, Neuaufnahmen. Den größten Teil nimmt die Vorbereitung von Patientinnen auf geplante Operationen ein. „Am spannendsten sind für mich die OP-Tage.“ In Anwesenheit eines Facharztes darf sie bereits Eingriffe wie z.B. Ausschabungen, Bauchspiegelungen, Brust- und Gebärmutteroperationen eigenständig ausführen. Von den seinerzeit 20 Studenten ihrer Seminargruppe ist sie als einzige Gynäkologin geworden. „Es gibt kein anderes Fachgebiet in der Medizin, wo man nicht nur therapieren muss, sondern einfach gesunde, werdende Mütter begleiten kann. Das fasziniert mich.“ Die Entscheidung dafür fiel erst im letzten Studienjahr. Eigentlich wollte die gebürtige Leipzigerin auch nie nach Halle. 2007 schaute sie sich die Klinik an und schlussendlich überzeugte sie das hier stattfindende Bewerbungsgespräch. „Wir sind so ein gutes Team – die Zusammenarbeit ist einfach super“. Sie fühlt sich voll anerkannt und berichtet davon, dass sie wenig von den sonst üblichen Hierarchien am Arbeitsplatz spürt. Auf die Frage, ob in ihrem Leben einmal Platz für Kinder sein wird, erhalte ich das schnellste und eindeutigste „Ja“ unseres Gespräches. Dabei sind es gerade die Fälle aus dem Bereich Geburtshilfe, die ihr oft lange im Gedächtnis bleiben. Wochenlange Betreuung von Problemschwangerschaften, Frühgeburten teilweise mit Gewicht unter 500 g. „Hier ist jede Entscheidung folgenschwer für zwei Menschen und es muss mitunter sehr schnell gehen“, ist sie sich der Verantwortung bewusst. Ein weiteres Mal kommt sie positiv auf ihren Arbeitgeber zu sprechen: Für ihren einjährigen, freiwilligen Einsatz bei „Ärzte ohne Grenzen“ wurde sie unproblematisch freigestellt. Es gehörte schon lange zu ihren festen Vorhaben, sich hier zu engagieren. Nun hatte sie auch die dafür geforderten 2 Jahre Berufserfahrung im Gepäck.
Und so betritt Johanna am 27.12.2009 erstmals kolumbianischen Boden. Das Departamento Chocó, die ärmste Provinz im Nordwesten des Landes, wird ein Jahr lang ihr Einsatzgebiet. Dem voran gingen ein Intensivsprachkurs und diverse Schutzimpfungen. Für große Vorbereitungen blieb kaum Zeit, denn: „Die Einsätze werden immer recht kurzfristig vergeben“. Knapp einen Monat vor Abreise sagt sie zu. Nicht als praktische Ärztin sondern als medizinische Koordinatorin. Sie organisiert, wertet Patientendaten sowie Materialverbrauch aus, bestellt neu, koordiniert die Routen auch nach aktuellen Gegebenheiten, wie akuten Epidemien. Auf Touren durch den Dschungel ist ihr Team manchmal bis zu 10 Stunden im Boot unterwegs. Dann erst beginnt die Arbeit. Es wird eine Art behelfsmäßige Ambulanz eingerichtet. Einwohner der jeweiligen Orte erfahren übers Radio von der Möglichkeit, sich untersuchen und behandeln zu lassen. Eine ihrer Aufgaben ist es, in den langen Warteschlangen zu sichten, wer vorrangig behandelt werden muss. Sie ermittelt vorab Laborwerte und macht Schnelltests, um dem Arzt zuzuarbeiten. „Am häufigsten behandeln wir Durchfallerkrankungen auf Grund des schlechten Wassers, Lungenentzündungen, Malaria und Hauterkrankungen durch mangelnde Hygiene.“ Es sind dankbare Patienten. „Sie geben, was sie können. Manchmal bekamen wir gekochte Suppe, einmal ein ganzes Huhn“. „Ich würde sehr gern nochmal ins Ausland gehen“, resümiert sie ihre einjährige Projektarbeit.
Text: Ilona Seider; Foto: privat