Ingenieur für Informationssystemtechnik (m/w/d)
Mit 5G zum Powerdrink
Ingenieure für Informationssystemtechnik forschen an der Schnittstelle von Informatik und Elektrotechnik
Stephan Hensel (im Bild) konnte sich nicht zwischen Elektrotechnik und Informatik entscheiden. Beides interessierte ihn. Doch dann erfuhr er am Tag der offenen Tür in der Technischen Universität Dresden, dass der Studiengang Informationssystemtechnik beide Bereiche einschließt. Da wusste er, dass er sein Studium gefunden hatte.
Er absolvierte den Vorbereitungskurs, den die TU Dresden anbietet, um einige Mathe- und Physik-Basics aufzufrischen. Dann ging es sofort zur Sache. „Schon im ersten Semester mussten wir einen kleinen Roboter bauen und sogar einen eigenen Prozessor“, erzählt er. Heute arbeitet der 29-jährige Diplom-Ingenieur für Informationssystemtechnik in Forschung und Lehre an der TU Dresden. Seine Dissertation wird er demnächst abschließen. Der Lehrstuhl, an dem Stephan angestellt ist, gehört zur Expertenplattform 5G Lab Germany, einem von großen Technologiefirmen gesponserten Zusammenschluss von Wissenschaftlern, um die Möglichkeiten des neuen 5G-Netzes auszuloten. Es geht um weit mehr als selbstfahrende Autos. Stephan arbeitet an einer Zukunftstechnologie für Industrieanlagen, genauer an automatisierungstechnischen Schnittstellen für modulare Produktionsanlagen. Wie bitte? Was? Es ist nicht das erste Mal, dass Stephan mit der Kluft zwischen seinem Expertenwissen und den hilflos wirkenden Fragen von Laien konfrontiert wird. Im Prinzip geht es darum, Produktionsanlagen in Module zu zerlegen, damit sie kleiner und flexibler werden und individuellere Produkte herstellen können. Das 5G-Netz ist dabei Voraussetzung, weil die Produktionsstrecken in Echtzeit miteinander kommunizieren müssen. „Angenommen, du hast die Rezeptur für eine tolle Algen-Limo gefunden und musst jetzt jemanden suchen, der sie produziert. Früher war das mit einem großen Aufwand verbunden. Die Anlage dafür musste geplant, gefertigt und in Betrieb genommen werden. Voraussetzung, dass sich der Aufwand rechnet, war eine bestimmte Menge, die auf dem Markt verkauft werden kann. Wenn eine Anlage, die Getränke produziert, aus Modulen besteht, brauchen die Hersteller für die Algen-Limo vielleicht nur ein oder zwei Module auswechseln (Orangenpresse versus Algenreaktor). Der Aufwand ist viel geringer, die Kosten entsprechend auch. Und falls die Algen-Limo floppt, geht nicht gleich der ganze Laden unter.“
Stephan arbeitet mit seinem Forschungsteam an der Schnittstelle, über die diese Module vernetzt und gesteuert werden sollen. Sie heißt MTP für Modul Type Package und ist das Informationspaket, das ein Plug & Produce ermöglicht, ohne dass sich der Nutzer um den technischen Hintergrund kümmern muss.
Im Process-to-Order (P2O) Lab der TU Dresden steht ein kleiner Algenreaktor, das Modul für die Limo der Zukunft. Ein geschwungenes Glasrohr, das ein bisschen an eine Heizung erinnert. Weitere Module können rühren oder abfüllen. Alle Prototypen, die hier gebaut und getestet werden, könnten in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, aber auch in der Pharmazie, Fein- und Spezialchemie eingesetzt werden.
Gerade ist Stephan viel unterwegs, von Konferenz zu Konferenz. Jetzt geht es darum, einheitliche Standards für die MTPs, die Informationspakete zu den Modulen, zu formulieren. Interessenvertretungen, Verbände und Firmenvertreter bilden zusammen mit den Universitäten Arbeitskreise, in denen diese Standards ausgehandelt werden. In diesen Arbeitskreisen wird Stephan mit den Fragen und Problemen der unterschiedlichen Hersteller konfrontiert. „Zum Teil bauen sie ihre Prototypen selbst. Dabei brauchen sie unsere Hilfe, aber die Universität kann das nicht leisten.“ Deshalb gründete Stephan gerade mit drei Kolleg*innen ein Start up. Semodia heißt ihre Firma, die Abkürzung für Semantic Modelling in Automation. Vom Wissenschaftler ist Stephan zum Unternehmer geworden. Ein neues Abenteuer nach fünf spannenden Jahren in der Forschung an der TU Dresden.
Text & Fotos: Kathrin Schrader; Background: TierneyMJ (Shutterstock)