Innenarchitekt (m/w/d), Studium
Stilsicher Räume gestalten
Innenarchitekten brauchen gute Ideen und technisches Wissen
Das Zimmer für den Dreijährigen ist eingerichtet. Im Flur hat sie bereits einen Computer-Arbeitsplatz für sich geschaffen. Nun steht die alleinerziehende Mutter ratlos in dem kleinen Balkonzimmer. Wie bringt sie es fertig, dass es trotz des großen Betts nicht wie in einem Schlafzimmer aussieht?
Ein Fall für Juliane Moldrzyk und Holger Beisitzer.Die Innenarchitekten sind pünktlich vor Ort. Die freundliche Einladung zum Kaffee lehnen sie dankend ab. Sie beginnen sofort mit der Arbeit. Zunächst analysieren sie, wofür die Frau den Raum nutzen will. Eine gemütliche Sitzecke möchte sie einrichten, einen Platz zum Plaudern, Knabbern und Fernsehen. Zubauen möchte sie das Bett aber auch nicht, denn sie liebt es, morgens von der Sonne geweckt zu werden.
Juliane und Holger konzentrieren ihre Suche auf ein passendes Element, das den Raum teilt und noch genügend Sonne auf den Schlafplatz lässt. Im Möbelkatalog finden sie einige preiswerte Möglichkeiten. Holger nimmt Maß. Juliane zeichnet mit einem schwarzen Fineliner verschiedene Raumansichten zwischen die Gesprächsnotizen auf ihren Block. Probeliegen muss die Mieterin zwischendurch, damit die Sache mit der Sonne im Bett auch klappt.
Diese Beratungen für Privatpersonen bilden nur einen kleinen Teil der Arbeit von Juliane und Holger. Aber darin entdeckten sie eine Marktlücke, als sie 2004 nach dem Studium allen Mut und ihr Know-how zusammennahmen und sich zu dritt selbstständig machten. Juliane Moldrzyk und Holger Beisitzer gründeten gemeinsam mit einer dritten Kollegin, Inga Schulze, das Büro „raumdeuter“. Das Team gestaltet Büro- und Geschäftsräume. Gewöhnlich geht es um mehr als den richtigen Platz für das Sofa. Am Monitor entstehen komplette Raumkonzepte, vom Fußboden über die passende Beleuchtung und die nötigen Stromanschlüsse bis zur Gestaltung der Wände. Grundrisse werden überarbeitet. Nicht nur Raumteiler werden dann hin und her gerückt, sondern auch mal eine Wand. Zum Beispiel verwandelten die Innenarchitekten einen Kohlenkeller in einen raffiniert ausgeleuchteten Konferenzraum.
Nach der Schule hatte Juliane zunächst gar keine Lust aufs Studieren. „Mach was Praktisches“, riet ihr Vater, ein Elektriker. Juliane wurde Tischlerin, im Hinterkopf den Wunsch, nach der handwerklichen Ausbildung das Gestalten zu lernen. Sie bewarb sich an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle. „Der technische Aspekt unseres Berufes liegt mir mehr“, sagt Juliane. „Vor der Bewerbung dachte ich: Das Künstlerische lasse ich mir jetzt in 5 Jahren mal eintrichtern.“ Ganz so einfach war es aber nicht. Juliane musste sich mit einer Mappe mit künstlerischen Arbeiten bewerben. Also absolvierte sie vor dem Studium einen Zeichenkurs. Bei der Aufnahmeprüfung ging es u.a. um räumliches Sehen und ein Grundverständnis von Statik. „Wir mussten zum Beispiel eine Brücke aus Papier bauen.“
Viele Innenarchitekten finden heute nach dem Studium keine Arbeit in ihrem Beruf. Vielleicht ist es die gute Mischung ihrer Begabungen, die den Erfolg von „raumdeuter“ ausmacht. Inga beschäftigt sich mit Architektur und Kunstgeschichte. Sie schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit. Holger fügte seiner Ausbildung noch ein Kunststudium hinzu. Die 34-jährige Juliane ist die praktisch Begabte. Bei ihr laufen die organisatorischen Fäden zusammen. „Die Selbstständigkeit war kein großes finanzielles Risiko“, erzählt sie. „Wir brauchen keine teure Ausrüstung. Aus unserer Studienzeit sind wir einen einfachen Lebensstil gewöhnt. Sieht nicht so aus, als ob wir in nächster Zeit Millionäre werden. Aber wir haben Spaß an unserer Arbeit.“
Das helle Büro in der alten Fabriketage war schnell eingerichtet. Viele Bildbände stehen in dem Sideboard. Die drei Arbeitsplätze sehen jedenfalls so aus, als gingen ihnen die Aufträge in nächster Zeit nicht aus.
Text: Kathrin Schrader; Fotos: Kathrin Schrader/“Raumdeuter“