Jurist (m/w/d)
In dubio pro reo …
Im Zweifel für den Angeklagten
Jurist werden, das klingt erst mal nach einem krisensicheren Job. Gesetze unterliegen keinen Konjunkturschwankungen und sind auslegbar. Außerdem kann es nicht schaden, sich im Paragraphen-Dschungel auszukennen, denn Streitigkeiten gibt es immer und überall. Der Weg zum erfolgreichen und honorarverwöhnten Anwalt ist allerdings nicht ohne Arbeitsaufwand zu beschreiten. Für Countdown berichtet ein Insider: Hannes Dalitz studiert Jura in Dresden und kennt die Tücken des Studienalltags.
Oft sind es die ersten unerfreulichen Kontakte mit der Polizei, die manch einen daran denken lassen, Anwalt zu werden.
Das funktioniert jedoch ausschließlich über ein Studium an einer Universität. Voraussetzung hierfür ist das Abitur oder Fachabitur. Außerdem gilt ab diesem Jahr ein lokaler Numerus Clausus, was bedeutet, dass man sich an der jeweiligen Wunsch-Uni direkt um einen Studienplatz bewerben muss.
Sind diese nicht allzu hohen Hürden erst einmal genommen, erwarten den Studierwilligen bis zum ersten Staatsexamen mindestens neun Semester, also viereinhalb Jahre Studentenleben. Während dieser Zeit muss ein so genannter Stud. Jur. sechs Seminarscheine nachweisen, drei „kleine“ und drei „große“. Für solch einen Schein muss man in der Regel eine zeitraubende Hausarbeit und eine nervenraubende Klausur in Kauf nehmen. Je ein Schein entfällt auf das Zivilrecht, das Strafrecht und das Öffentliche Recht.
1. studentische Tugend: Scheine sammeln
Das Zivilrecht beschäftigt sich beispielsweise mit folgender Situation: Albert kauft an Bertas Kiosk eine Zeitschrift und bezahlt nicht. Strafrechtlich interessant wird es, wenn daraufhin Berta mit einem Faustschlag Albert niederstreckt. Im Öffentlichen Recht hingegen interessieren die kleinen Querelen zwischen Albert und Berta nicht. Dort geht es um Fragen wie „Ist die BRD nun ein Staatenbund oder ein Bundesstaat?“ – und natürlich um das entsprechende rechtliche Gefüge. Es ist also dem Gemeinschaftskundeunterricht in der Schule recht ähnlich.
Sind diese drei „kleinen“ Scheine erfolgreich erarbeitet, hat man die Zwischenprüfung in der Tasche. Nun erwartet den zukünftigen Juristen das Gleiche noch einmal mit höherem Schwierigkeitsgrad: Die drei „großen“ Scheine zu Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichem Recht. Hat der Jurastudent zudem seine Seminararbeit über ein für ihn interessantes juristisches Thema verfasst und ein dreimonatiges Praktikum (zum Beispiel in einer Kanzlei oder bei Gericht) absolviert, winkt die erste juristische Staatsprüfung.
2. studentische Tugend: Wissenslücken stopfen
Doch das Geschilderte beschreibt den Idealfall. Denn Otto-Normal-Student hat bis zu diesem Zeitpunkt so manche Party gefeiert und einige Vorlesungen und Seminare geschwänzt. Dies hat zur Folge, dass er sich nach seinen bestandenen Scheinen noch nicht in der Lage sieht, das erste Staatsexamen abzulegen. Und das ist kein Wunder angesichts der Stofffülle. Deshalb bieten sowohl Universitäten als auch private Unternehmen so genannte Repetitorien an. Repetitorium – das steht für die Wiederholung von Inhalten. So soll der Student seine meist recht großen Wissenslücken schließen, seine juristische Arbeitstechnik verfeinern und für das Staatsexamen fit werden. Derart vorbereitet, meldet sich der Durchschnittsstudent für die erste Staatsprüfung an: Nun muss er sich in sieben Klausuren à fünf Stunden und in einer etwa 50-minütigen mündlichen Prüfung bewähren.
3. studentische Tugend: irgendwann das Examen bestehen
Sollte man das erste Staatsexamen bestanden haben, ist das keinesfalls selbstverständlich, denn nicht wenige (rund 30 bis 40 Prozent) fallen beim ersten Anlauf durch. Wenn es dann (irgendwann…) doch geklappt hat, erwartet den Stud. Jur. das Referendariat. In diesen zwei Jahren arbeitet er an der Seite eines Volljuristen. Die Situation ist vergleichbar mit den Referendaren an den Schulen… Jeder kennt sie, diese Personen, die immer erst hinten im Unterricht sitzen und später unsicher und nervös vor der Klasse stehen.
Anschließend muss der Referendar die zweite juristische Staatsprüfung ablegen. Hat er diese bestanden, ist er endlich auch Volljurist. Nun kann er als Anwalt, Richter oder im höheren Verwaltungsdienst arbeiten und mit etwas Glück die Polizisten schikanieren, die ihn zum Jurastudium veranlasst haben.
Text: Christine Sylvester