Keramiker (m/w/d)
Sie hat den Dreh raus
Anni Holland ist Keramikerin Fachrichtung Scheibentöpferei
Die Töpferei Holland in Elstra, in der Oberlausitz, stellt seit 1744 Oberlausitzer Töpferwaren her. Sie besitzt außerdem den größten alten Topfboden der Lausitz. Zu den Schätzen auf diesem Boden, die sich in riesigen Regalen stapeln, von der Decke hängen und auf dem Boden stehen, gelangt man über eine abenteuerliche Holztreppe. In der Adventszeit schlängelt sich, zur Freude der Besucher, eine kleine Eisenbahn durch die Regale …
Anni Holland, die älteste Tochter im Hause, setzt die lange Familientradition fort – sie ist gelernte Scheibentöpferin. Respekt: Ihre Gesellenprüfung im Sommer dieses Jahres absolvierte die 21-Jährige als Beste in ganz Sachsen und im bundesweiten Vergleich holte sie einen 1. und einen 2. Platz.
Als ich die relativ kleine, mollig warme Werkstatt betrete, sehe ich, jeweils auf einer Holzbank dicht an den Fenstern, zwei weiß bekleidete Frauen sitzen. Vor ihnen rotieren die Töpferscheiben. Konzentriert sind sie über ihre Arbeit gebeugt. In einem Regal über ihren Köpfen stehen, auf langen Brettern aufgereiht, viele Tongefäße zum Trocknen: Vasen, Tassen, Schalen, Teller… Anni ist die jüngere der beiden Frauen. Sie begrüßt mich lächelnd und beantwortet, kaum von ihrer Tätigkeit aufblickend, mit ruhiger Stimme, meine vielen neugierigen Fragen. Mit ihren langen, schmalen Fingern formt sie derweil, innerhalb von wenigen Minuten, aus Klumpen grauen, feuchten Tons, ein Teelicht nach dem anderen. Hey, das sieht doch aber eigentlich ganz easy aus – denke ich… bis mein Blick auf die Reihe vor ihr stehender Teelichter fällt. Oh man – eins sieht genau so aus wie das andere!!! Gleich hoch, gleich dick, gleich tief, völlig identisch proportioniert! Nun wird’s mir klar: Die hohe Kunst beim Töpfern besteht nicht nur darin, mit Geduld und Ausdauer zu arbeiten, sondern auch Fingerfertigkeit und ein gutes Formgefühl zu besitzen. „Am kompliziertesten ist das Drehen lernen, gerade in der Ausbildung. Es kommt darauf an, ganz viel Gefühl in Fingern und Händen zu erlangen. Es braucht eine gewisse Zeit, bis man Erfolg sieht“, erklärt Anni. Und noch etwas ist wichtig: Kraft. Denn was so leicht und spielerisch wirkt, erfordert vollsten Muskeleinsatz.
Keramiker werden in drei Fachrichtungen ausgebildet: 1. Baukeramik, dazu gehört u.a. das Aufbauen großer Gefäße und die Herstellung von Kachelöfen; 2. Dekoration oder Keramikmaler, also das Bemalen, Modellieren und Verzieren der Gefäße; 3. die Scheibentöpferei, das Freidrehen runder Gebrauchs- und Zierkeramik an der Töpferscheibe. Die Ausbildung dauert 3 Jahre. Während der ersten beiden Jahre ist die Ausbildung in allen drei Fachrichtungen gleich. Die Scheibentöpfer, wie Anni, erlernen während ihrer dualen Ausbildung das Herstellen der Tonmischung, das Drehen und Abdrehen der Keramiken und das Henkeln, also das Anbringen eines Henkels an Tassen und Krügen. Nach erfolgreicher Ausbildung hat man die Möglichkeit, die Meisterprüfung abzulegen und eine eigene Werkstatt zu gründen oder ein entsprechendes Studium zu beginnen.
Anni ist in der elterlichen Töpferei groß geworden. Es hat sie immer schon gereizt, etwas mit ihren Händen entstehen zu lassen. Deshalb war es für sie nahe liegend, dass sie sich nach der Fachhochschulreife für diesen soliden, alten Handwerksberuf und für den Familienbetrieb entschied. Allerdings, so muss man sagen, ein Beruf für Idealisten. Denn trotz der vielen wundervollen Kostbarkeiten auf dem Töpferboden – reich werden, kann man eher nicht.
Text & Fotos: Steffi Mrosek