Kostümbildner (m/w/d)
Arbeitshäute modellieren
Kostümbildner sind sowohl Künstler als auch Dienstleister
„Was hat Romeo eigentlich für ein Hobby?“, fragt Kostümbildnerin Gabriele Kortmann den Regisseur Christian Leonhard.
Shakespeare sagt nichts über Romeos Freizeitbeschäftigungen. Schließlich hat er im Drama nichts anderes zu tun, als Julia von ganzem Herzen zu lieben.
Gabriele Kortmann will mit ihrer Frage herausfinden, wie Christian Leonhard seinen Romeo in der Inszenierung der Berliner Shakespeare-Company im Sommer 2007 sieht. Während des kurzen Arbeitsgespräches kommt sie der Figur, wie der Regisseur sie empfindet, näher. „Irgendwann rieche ich sie, dann habe ich sie hier drin“, sie legt die flache Hand auf ihre Brust „und dann ziehe ich sie an.“
Doch die Kostümbildnerin entwirft nicht nur ein Kostüm für Romeo. „Gleichzeitig modelliere ich dem Künstler eine Arbeitshaut. So sperrig und schräg diese auch sein mag, der Künstler muss da hinein schlüpfen können wie in das andere Leben, das er auf der Bühne verkörpert.“
Seit 15 Jahren modelliert Gabriele Kortmann „Arbeitshäute“ für Varieté-Künstler, Schauspieler und neuerdings auch für Opernsänger. Wie die meisten Kostümbildner arbeitet sie frei.
Niemand im Theater rückt den Stars so dicht auf den Leib wie die Kostümbildner. Sie arbeiten direkt am wichtigsten Instrument des Schauspielers, seinem Körper. Diese Nähe erfordert hohe Sensibilität und Einfühlungsvermögen.
Marie Gerstenberger, Studentin des Fachs Bühnenkostüm an der Universität der Künste Berlin, betont den wichtigeren Aspekt dieses Berufes. „Bevor man einen Entwurf macht, muss man wissen, was man damit erzählen will“, sagt sie. Kostümbildner arbeiten nicht nur nach den Anweisungen des Regisseurs. Sie setzen sich allein in einem kreativen Prozess mit den Figuren auseinander. Sie gestalten und erzählen mit. Sie geben der Inszenierung Impulse. Die Arbeit an den Theater- und Filmproduktionen, die Marie während des Studiums erlebte, beginnt mit Material- und Bildersammlungen, mit Beobachtungen, Skizzen und ersten Entwürfen, die dann im Team diskutiert werden.
Marie absolvierte wie Gabriele Kortmann zunächst eine Ausbildung als Schneiderin. Das ist jedoch keine Bedingung für das Studium. Lisa Kentner entdeckte den Beruf während eines Praktikums am Stadttheater Bochum und bewarb sich dann direkt an der Uni. „Ich habe den Eindruck, dass es in der Bewerbungsmappe nicht unbedingt darum geht, besonders gut nähen oder zeichnen zu können“, sagt sie. Man braucht keinesfalls Kostümentwürfe zu liefern. Vielmehr sollte die Mappe widerspiegeln, dass man offen ist und sich für viele Themen interessiert.“ Man muss auch nicht mit seinem Wissen über Theater und Film brillieren.
„Ich bin nie gern ins Theater gegangen, jedenfalls nicht vorn, durch den Besuchereingang“, gesteht Gabriele Kortmann. Durch Zufall, bei der Verlosung eines Praktikums am Stadttheater, betrat sie das Theater von hinten, durch den Bühneneingang und blieb.
Studiert hat die quirlige Vierzigjährige allerdings nie. Doch sie hörte nicht auf, ihre Kenntnisse zu erweitern. Um den Theaterbetrieb von innen kennen zu lernen, schob sie Abenddienste in der Requisite und ging anschließend mit den Künstlern noch ein Bier trinken. Morgens stand sie wieder in ihrem Atelier.
Kann man heute noch als Quereinsteiger Karriere machen? „Unbedingt“, sagt sie. „Gerade heute.“
Kleine Bühnen, wie die Berliner Shakespeare Company schätzen neben ihrer außergewöhnlichen Kreativität und der Begabung, in die Schauspieler schlüpfen und deren „Arbeitshaut“ erleben zu können, das handwerkliche Können der Näherin und ihre Fähigkeit, zu improvisieren. Denn das Budget ist oft knapp.
Üblicherweise arbeitet man nach dem Studium zunächst für zwei Jahre an einem Theater als Assistent und bereitet in dieser Zeit seinen Start in die Freiberuflichkeit vor, indem man Kontakte zu Regisseuren aufbaut.
Text & Fotos: Kathrin Schrader