Kunstgeschichte, Studium
Mission Kokosnuss
Sarah studierte Kunstgeschichte und arbeitet heute als freischaffende Kuratorin
Kunstwerke auszustellen, also zu kuratieren, ist heute nicht mehr nur ein Bilder-nebeneinander-aufhängen oder Exponate-im-Raum-arrangieren. Es ist sehr viel komplexer und anspruchsvoller. Fast schon eine eigene Kunst, nämlich die des Präsentierens. Kuratoren – die in Institutionen, die Kunst zeigen, tätig sind, also in Museen, Galerien oder sogar bei den großen Events wie der Venedig Biennale oder der documenta – haben einen sehr großen Einfluss. Sie entscheiden maßgeblich mit, was Kunst ist. Indem sie die Künstler einladen auszustellen, öffnen sie ihnen das Tor zum Publikum, zu den Kritikern, den Käufern, den Förderern, den Museumsbesuchern. Außerdem helfen sie, Kunst zu verstehen. Sie vermitteln und bauen Brücken zwischen den Kunstschaffenden und den Konsumenten.
Ich treffe Sarah Sigmund, Kunstwissenschaftlerin, freischaffende Kuratorin und Promotionsstudentin an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden (www.hfbk-dresden.de), im Projektraum „Hole of Fame“, Königsbrücker Straße 39 der Elbestadt. Hier organisiert die 28-Jährige Veranstaltungen und kuratiert kleinere Ausstellungen eher noch unbekannter Künstler. Sie und ihre Vereinspartner schufen eine Gelegenheit, sich Wissen und praktische Erfahrungen bei der Organisation, Finanzierung und beim Marketing von Projekten anzueignen.
An den Wänden des Raumes kann man sich großformatige Fotos, Bilder einer Flucht anschauen. Sarah erklärt: „Das ist keine Ausstellung im klassischen Sinn, eher eine sozial-politische Ausstellung, die wir in Zusammenarbeit mit Amnesty International zum Thema Flucht, Migration und transkulturellem Zusammenleben organisiert haben. Der Münchner Künstler Paul Knecht hat Flüchtlinge von Istanbul nach Griechenland begleitet und mit seinen eher atmosphärischen Fotos diese Situation auf der Flucht festgehalten.“ Zur Eröffnung waren ca. 1.000 Gäste anwesend, berichtet sie nicht ohne Stolz.
„Das Kunstinteresse in mir weckte meine Großmutter, die selbst Bilder malt und die mit mir oft Museen besuchte“, erinnert sich Sarah. 2007 begann sie an der TU Dresden das Bachelor-Studium Kunstgeschichte – ein 2-Fach-Bachelor, ihr 2. Fach war Geschichte. Vermittelt wurde ihr ein breites Basiswissen, das alle Kunstgattungen, die Geschichte der Kunst und weitere Fachgebiete umfasste. „Ein Leitfaden von Grundbegriffen, an dem man sich orientieren kann, mit dem man lernt, Kunst sachgerecht und kritisch einzuschätzen und zu beschreiben“, so Sarah. Drei Jahre später schloss sie das Masterstudium an. Sie vertiefte ihr Wissen und lernte wissenschaftlich selbstständig zu arbeiten. Außerdem absolvierte sie währenddessen ein neunmonatiges Auslandsstudium am University College Cork in Irland und hatte dort die Chance, viele zeitgenössische Künstler kennenzulernen. „Eine Bereicherung und Ergänzung, weil ich mich doch mehr für moderne und zeitgenössische Kunst interessiere. Das Studium an der TU Dresden ist eher klassisch ausgerichtet.“ Deshalb rät sie: „Bevor man sich entscheidet, an welcher Uni man sich einschreibt, sollte man checken, wo man am besten mit seinen persönlichen Interessen hineinpasst.“
Als Kuratorin im „Hole of Fame“ lädt Sarah die Künstler ein. Sie sprechen über deren Werke und sie schaut sich diese in den Ateliers an. Dann versuchen sie gemeinsam, ein Thema für die Ausstellung zu entwickeln. Beispielsweise gestaltete sie im Januar mit der Dresdner Künstlerin Marie Athenstaedt die Ausstellung „Misi Kelapa“ auf Deutsch „Mission Kokosnuss“. Marie war in Indonesien und zeichnete wie Humboldt mit Bleistift Kokosnüsse auf Papier. Diese archaischen Früchte sehen aus wie kleine Meteoriten oder kleine Systeme aus Galaxien. Außerdem malt Marie riesige Weltnebel in Öl auf Leinwand. Gemeinsam konzipierten sie die Idee der Künstlerin auf der Mission Kokosnuss. Im Begleittext der Ausstellung formulierte Sarah dann folgendermaßen: „… Indem sie dieses Zeichen einst exotischer Natur mit der Sphäre des Weltraums zusammenbringt, führt sie uns die Mystik vom Mensch erdachter und durch Abbildungen real erscheinender Lebenswelten vor Augen…“
Text & Foto oben: Steffi Mrosek, Foto unten Sarah Sigmund