Medizinphysiker (m/w/d), Studium
Hoch präzise zum Ziel
Medizinphysiker erforschen neue Technologien im Kampf gegen Krebs
Hinter dicken Betonwänden inmitten eines riesigen Kellergewölbes steht sie: eine 330 Tonnen schwere Protonentherapieanlage – die erste im Osten Deutschlands. Sie ist das Herzstück des „Nationalen Zentrums für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay“ (OncoRay) auf dem Dresdner Campus der Hochschulmedizin. Das Zentrum wird von der Medizinischen Fakultät, der Universitätsklinik und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) getragen. Moderne Krebstherapie und -forschung werden hier vereint. Neben dem konventionellen Teilchenbeschleuniger soll ein zweiter Protonen-Beschleuniger entwickelt werden. Dieser soll die Protonen mit ultra-starken Lasern beschleunigen. Die Kombination wird weltweit einmalig sein.
Eine Aufgabe vorab ist es, in Zell- und Tierbestrahlungen die Wirksamkeit der kurzgepulsten, laserbeschleunigten Protonen zu untersuchen. Ein entscheidender Faktor dabei: die Dosis der Strahlung. Diese sehr genau zu messen (Dosimetrie) und spezielle Detektorsysteme zu entwickeln, ist ein Arbeitsschwerpunkt von Dr. Christian Richter, Forschungsgruppenleiter am OncoRay für „Hochpräzisionsstrahlentherapie“. Mit seiner Doktorarbeit löste der 32-Jährige erstmalig das Problem der zuverlässigen Echtzeitdosimetrie an laserbeschleunigten Partikelstrahlen und stellt die Voraussetzung für die Gewinnung zuverlässiger experimenteller Daten zur relativen biologischen Wirksamkeit von laserbeschleunigten Protonenstrahlen dar. Er wurde dafür als Nachwuchs-Krebsforscher mit dem Behnken-Berger-Förderpreis ausgezeichnet.
Als Christian sein Physik-Studium an der Technischen Universität Dresden (TUD) begann, wusste er nicht, in welche Richtung er sich spezialisieren wird: „Ich habe erst während des Studiums gemerkt, dass ich etwas machen möchte, wo der Nutzen direkt absehbar ist.“ Bei seiner Diplomarbeit forschte er deshalb im Bereich der Medizinphysik. Danach entschied er sich zur Promotion auf dem Gebiet. Diese Arbeiten sowie seine Praxiserfahrungen am OncoRay und HZDR und am Massachusetts General Hospital in Boston waren eine perfekte Grundlage für seine jetzige anwendungsorientierte Forschung im Bereich der Medizinphysik.
Den Beruf des Medizinphysik-Experten (MPE) hingegen gibt es seit 1998. Er baut auf einem naturwissenschaftlichen Studium (siehe Infokasten) und einer zweijährigen Weiterbildung in einer strahlentherapeutischen Einrichtung auf. Auch das OncoRay bzw. die Medizinische Fakultät der TUD bilden Medizinphysiker im Masterstudiengang Medical Radiation Physics aus – die praktische Weiterbildung zum MPE ist hier bereits integriert. „Die meisten Medizinphysiker arbeiten danach in der Strahlentherapie, weil dort der größte Bedarf besteht. Im Prinzip ist das eine Jobgarantie.“
Der größte Unterschied zwischen Christians Forschungen als Medizinphysiker und der eines klassischen MPE ergibt sich aus der Arbeitsweise. Während der MPE Bestrahlungspläne für den jeweiligen Patienten erstellt, beschäftigt sich Christian aus der wissenschaftlichen Perspektive damit. Er testet neue Technologien und Konzepte für Bestrahlungsfälle und wertet diese aus. Die Erkenntnisse, die er für eine zukünftige Patientenbehandlung gewinnt, werden in klinischen Studien erprobt. „Man versucht dabei alles zu berücksichtigen, damit man nicht zu einem falschen Ergebnis kommt. Routine gibt es da nie.“
Seit Juli 2013 arbeitet er mit Ärzten, Informatikern, Physikern und anderen Medizinphysikern am OncoRay zusammen. „Ein Ziel ist es, die Bestrahlung von Lungentumoren mit Protonen trotz Atembewegung sicher zu ermöglichen. Außerdem geht es darum, die Bestrahlungsplanung weiter zu optimieren und zu untersuchen, wo die Vorteile für den Patienten im Vergleich zur herkömmlichen Photonentechnik sind.“ Während die konventionelle Photonentherapie ultraharte Röntgenstrahlen nutzt, um Tumore zu zerstören, lässt sich die Wirkung des Protonenstrahls zielgenau ins Krebsgewebe steuern. Das umliegende Körpergewebe wird dabei weniger belastet, das Risiko für Nebenwirkungen gesenkt. Die Therapieform kann jedoch nur bei speziellen Tumorerkrankungen eingesetzt werden. Christian untersucht beispielsweise den Einfluss von Atembewegungen auf die Dosisverteilung bei der Therapie von Lungen- oder Brusttumoren. Dafür führt er Tests mit stereoskopischen Kameras an einem Atemphantom durch, einer Oberkörperpuppe, die die Atmung des Patienten simuliert. Die Bestrahlung des Tumors kann so in einer bestimmten Atemphase erfolgen, ohne das gesunde Gewebe zu schädigen. Um mehr patientennahe Praxis zu bekommen, will er zusätzlich das Zertifikat für den MPE machen.
Text & Foto: Christiane Nevoigt; oberes Foto: OncoRay