Motopäde (m/w/d)
Zappelphilipp lernt Stillsitzen
Staatlich geprüfter Motopäde (m/w/d)
Die Knirpse kriechen wie die Indianer von allen Seiten an ihre Motopädin heran. Wenn die junge Frau aber den Kopf hebt, dann bleiben Anna-Lena, Tom, Lydia, Alexander und Sophie regungslos liegen. Denn das ist die Aufgabe, die Frauke Garreis ihren Schützlingen gestellt hat: Sie müssen sich geräuschlos heran schleichen. Und das finden die drei- und vierjährigen Mädchen und Jungen, die im thüringischen Eisenberg den Kindergarten besuchen, natürlich sehr spannend. „Spielerisch verschiedenste Bewegungen auszuführen und damit Konzentration zu üben, das gehört zum Beruf eines Motopäden“, erläutert Frauke Garreis. „Bewegungsübungen kann man mit Kindern eben so gut wie mit Rentnern oder auch mit Behinderten machen. Und beim Ausdenken habe ich vollkommen freie Hand, ich kann alles nutzen, Sport- und Spielgeräte ebenso wie Alltagsgegenstände oder Naturmaterialen, die zum Bewegen reizen“, erklärt sie.
Die 24-Jährige hat gerade ihre Ausbildung zur Staatlich geprüften Motopädin am Bu.TZ, dem Bildungs- und Technologiezentrum Eisenberg/Thüringen abgeschlossen.
Das Bu.TZ ist als Stiftung und gemeinnützige GmbH eine staatlich genehmigte berufsbildende Schule und zugleich eine staatlich anerkannte Fachschule für Motopädie. Davon gibt es nur wenige in den neuen Bundesländern, denn das Berufsbild des Motopäden ist noch relativ jung. „Ich kannte es auch nicht, ich bin auf einer Bildungsmesse in Leipzig damit in Kontakt gekommen“, verrät Frauke Garreis, die aus Völpke in Sachsen-Anhalt stammt, in dem Bundesland ihr Abitur machte und hier zur Physiotherapeutin ausgebildet wurde. Die Motopädieausbildung ergänzt jetzt die Physiotherapie, denn bei der Motopädie geht es um die bewegungsorientierte Förderung bzw. um die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die leistungsbeeinträchtigt, behindert oder verhaltensauffällig sind.
„Ein Zappelphilipp lernt bei uns, wie er still sitzen kann. Oder Jugendliche, die wegen Drogenentzug in Behandlung sind, erhalten durch Yoga wieder Selbstvertrauen“, erläutert Frauke Garreis. Wie sie das schafft, das muss die quirlige junge Frau selbst entscheiden. Sie kann mit einem Kind, das sich schwerer konzentrieren kann, in die Natur und dort mit ihm spielen. Sie kann mit behinderten Menschen Sport treiben, mit ihnen balancieren, Luftballons werfen, Trampolin springen oder Entspannung mit asiatischen Körpertechniken üben. „Dabei hat der Beruf viel mit Medizin und Psychologie zu tun“, sagt sie. Denn vor jeder Behandlung muss ähnlich wie beim Arzt eine Anamnese erfolgen, also ein Kennenlernen des Patienten. „Die Behandlung basiert auf Vertrauensbasis. Man muss genau wissen, was dem anderen fehlt, um helfen zu können. Und man sollte ziemlich sportlich sein, um die vielfältigsten Übungen vorführen zu können und das Interesse am Mitmachen zu wecken.“ Deshalb stehen Akrobatik Jonglieren, Diablo-Drehen (das ist eine Rolle, die mit Schnur und Stäben bewegt wird, siehe Foto links), Yoga sowie Tai Chi und Qui Gong ebenso auf dem Lehrplan wie Biologie, Psychologie, Sonderpädagogik. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und die Schüler erwerben in Thüringen neben dem Beruf des Motopäden auch die Fachhochschulreife. Zur Ausbildung gehören auch Praktika.
Die künftigen Einsatzgebiete reichen von Beratungs- und Förderstellen über klinische Einrichtungen (Kur- und Rehakliniken, neuropädiatrische Zentren, psychosomatische Suchtkliniken) und sozial-/heilpädagogischen Zentren bis hin zu schulischen Einrichtungen.
Der Bedarf steigt, da Motopäden zunehmend zur Vorsorge und Rehabilitation eingesetzt werden.
Frauke Garreis weiß schon, wo sie künftig arbeiten wird. „Ich gehe in ein Heim für autistische Kinder. Ihnen hilft die Bewegungstherapie.“
Text & Fotos: Brigitte Pfüller