Müller (m/w/d)
Damit hats keine Not
Daheim „am rauschenden Bach” oder draußen in der Welt –
das alte Mühlenhandwerk lebt
300 Mühlen gibt es in Deutschland, aber keinen arbeitslosen Müller. Merkwürdig ist es schon, dass dieser alte Beruf aus unserem Bewusstsein verschwunden ist. Das mag so sein, weil die Wind-und Wassermühlen längst stillstehen. Doch der Beruf des Müllers war immer in Bewegung.
Heute heißt er übrigens: Verfahrenstechnologe / in in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft. Als „sehr abwechslungsreich” beschreibt der 22-jährige Müller Tony Busz seinen Beruf. Er bietet außerdem spannende Karrierechancen, ob man daheim am „rauschenden Bach” bleibt oder als Reisemüller in der großen, weiten Welt Mühlen baut.
Tony Busz hat seine Ausbildung in der Schüttmühle in Berlin gemacht. Dort arbeitet er auch heute. Er entdeckte seine Leidenschaft für das Mühlenhandwerk während eines Schülerpraktikums in der 9. Klasse, das er im Institut für Getreideverarbeitung absolvierte. Im Labor begutachtete er unter dem Mikroskop den Werkstoff der Müller, die verschiedenen Getreidekörner. Ursprünglich hatte er das Praktikum nutzen wollen, um in die Biotechnologie hineinzuschnuppern. Schließlich hatte er als Leistungskurs Biologie gewählt. Doch dann traf er den Instituts-Müller, der in ihm Neugierde auf die alte Zunft weckte. In der 10. Klasse war Tony wieder im Institut. Danach stand sein Berufswunsch fest.
„Es gefällt mir, mit etwas so elementar wichtigem wie Getreide zu arbeiten”, sagt er. „Das ist schließlich die Basis unserer Ernährung. Mit moderner Technik übe ich einen traditionellen Beruf aus. Wenn man sagt, dass man Müller ist, erregt man heute Aufsehen. Aber ich war schon immer ein Typ für das Besondere. Die meisten gucken mich an und sagen: Wie jetzt, Müller?! Macht das nicht der Bäcker?”
Moderne Mahlwerke klappern nicht, sie tosen so laut, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. In den Walzstühlen der Berliner Schüttmühle entstehen Schrot, Grieß und verschiedene Mehle. Deren Qualität wird im Labor untersucht und klassifiziert, bevor sie nach den Wünschen der Kunden, also der Bäckereibetriebe, gemischt werden. „Denn man braucht ein anderes Mehl für Kekse, als wenn man Brötchen backen will”, erklärt Tony.
Ein moderner Müller bedient die Maschinen selbstverständlich vom Computer aus. Die stehen in einem ruhigen, hellen Arbeitsraum. Säcke schleppen ist nicht mehr, weswegen der Beruf auch für Mädchen geeignet ist. Traditionell weiß gekleidet sind die Müller aber wie eh und je. Arbeits- und Brandschutz wird in Mühlen besonders groß geschrieben und nimmt einen bedeutenden Teil der Ausbildung ein. Verpuffendes Mehl kann nämlich schnell einen Brand auslösen.
Nicht nur Getreide, sondern auch Ölfrüchte und Gewürze werden in Mühlen gemahlen. Außerdem gibt es Schälmühlen, in denen beispielsweise Reis und Dinkel, aber auch Hülsenfrüchte und Nüsse geschält werden. Auch diese Technologien sind Gegenstand der Ausbildung. Die meisten Mühlen sind aber Mehl- und Futtermühlen. In letzteren wird Tierfutter gemahlen.
Zwei Schulen gibt es in Deutschland, an denen Müller ausgebildet werden, in Wittingen in Niedersachsen und in Stuttgart in Baden-Württemberg. In der Praxis führt die Ausbildung durch alle Stationen der Mühle: Getreideannahme, Kontrolle und Reinigung des Getreides, Vermahlung und Labor.
Das Wandern ist noch immer manchen Müllers Lust. Tony Busz möchte als so genannter Reisemüller an anderen Orten der Welt beim Aufbau neuer Mühlen helfen. Dafür ist ein Studium der Mühlenbautechnik an der DMSB, der Deutschen Müllereischule Braunschweig, nötig. Voraussetzung für das zweijährige Vollzeitstudium ist die abgeschlossene Berufsausbildung. Wer lieber zu Hause bleibt, kann an der DMSB auch einen Meisterlehrgang absolvieren, um anschließend mehr Verantwortung im Betrieb zu übernehmen. Möglich ist auch ein Bachelor of Engineering an einer Hochschule.
Text & Fotos: Kathrin Schrader