Musicaldarsteller (m/w/d)
Ein Katzensprung ins Glück
Julia Berger ist das jüngste Mitglied des Berliner CATS-Ensembles
Julia, jüngstes Mitglied des Ensembles, das Kitty also, zwanzigjährig und noch in der Ausbildung, betritt die Garderobe und spricht aufgeregt drauflos. Bis zur Vorstellung sind nur noch zweieinhalb Stunden Zeit. Absprache mit Maske und Garderobe, ein Küsschen für den Freund und los geht’s – Julias Verwandlung in Sillabub, die jüngste Katze auf dem Jellicle-Ball.
„Sillabub“, erzählt Julia, während sie ihre Kinnpartie weiß pudert, „ist eine sehr positive Katze, sehr sehnsüchtig, eine, die weiß, dass ihre Zeit noch kommen wird.“ Mit dieser Rolle im beliebtesten Musical der Welt ist für Julia ein Traum wahr geworden. Vor zwei Jahren bewarb sie sich das erste Mal für die Berliner Sillabub im Musicaltheater am Potsdamer Platz. Sie erntete Lob, doch die Rolle bekam sie nicht, auch 2002 noch nicht, bevor die Proben zur Berliner Inszenierung begannen und sie es bis in die letzte Auswahlrunde geschafft hatte. „Leah delos Santos hat die Rolle bekommen. Da kam ich natürlich nicht ran“, sagt Julia und es klingt kein bisschen deprimiert.
Doch wie Sillabub, die weiß, dass ihre Zeit kommen wird, arbeitete Julia unermüdlich an ihrer Motivation. Sie besuchte Musical-Vorstellungen, hielt Kontakt zu Freunden, die es geschafft hatten und lauschte zu Hause immer wieder den Traummelodien, nach denen sie tanzen will. Dann war es so weit. Julias Chance kam, als Leah delos Santos für eine eigene Tournee nach drei Monaten aus dem Ensemble schied. Der Anruf im November 2002: „Julia, wir haben da etwas für dich …“ und ein Freudenschrei.
In wenigen Wochen arbeitete sie sich in die Rolle ein. Julia, neugierig, extrovertiert und hungrig nach Bühnenerfahrungen, erzählt von ihrem ersten Auftritt als Sillabub vor Publikum. „Es war ein Rausch und auch das Gegenteil davon, ein Überbewusstsein. Dieses extreme Bewusstsein war toll.“
Vor Julias Schminkspiegel steht ein lila Päckchen „Kitbits“, Katzenfutter. Rings um den Spiegel die Bilder ihrer Freunde, ihrer Familie, Glückwunschkarten und Souvenirs. Sie zeichnet die Linie ihrer Augenlider mit einem schwarzen Stift bis zum Schläfenrand.
Als Zehnjährige sah Julia in Hamburg das Musical „Phantom der Oper“. Von da an folgte sie beharrlich dem Traumberuf der drei Künste: Singen, Tanzen und Spielen. Zunächst studierte sie zwei Jahre Bühnentanz an der Gret-Palucca-Schule in Dresden und absolvierte gleichzeitig eine Gesangsausbildung am Heinrich-Schütz-Konservatorium. Im Sommer 2003 wird sie ihre Ausbildung im Fach: Musical/Show an der Universität der Künste Berlin abschließen.
Zur Ausbildung gehören täglich mindestens zwei Stunden Tanz, eine Stunde Gesangs- und Schauspielunterricht.
Noch bis zum Sommer steht Julia täglich, an manchen Tagen sogar zwei Mal täglich als Sillabub auf der Bühne. Wie sieht so ein Katzenleben aus?
„Morgens schlafen mein Freund und ich ziemlich lange. Ist ja klar: Nach der Vorstellung gehe ich nicht sofort ins Bett. Dann frühstücken wir ausgiebig und schauen uns die Nachrichten im Fernsehen an und dann muss ich auch schon wieder ins Theater.“
Julia pudert sich rot-weiße Streifen auf die Wangen. Bevor sie die Traumrolle bekam, gab es viele Selbstzweifel und die Bedenken der Mutter, ob es gut sei, das Abi für eine Musicalausbildung aufs Eis zu legen.
Sillabub in der Maske. Die Maskenbildnerin dreht die Haare zu kleinen Kringeln und steckt sie fest, bindet ein Stirnband und ein Haarnetz darüber und befestigt das Mikrofon an der Perücke. Julias Wimpern sind staubig. „Erfolg ist nicht nur eine Frage des Talents“, sagt sie. „Es hat viel mit Durchsetzungsvermögen zu tun.“ Wer sich von scheinbaren Misserfolgen entmutigen lässt, hat schlechte Karten. Julia hat mehr als zehn Auditions, so die Bezeichnung für das Vortanzen, hinter sich. Gemeinsam mit ihrem Freund, der als Sänger unter anderem im „Glöckner von Notre Dame“ auf der Bühne des Musical-Theaters am Potsdamer Platz stand, will sie die namhaften Bühnen der Welt erobern. Zwar gibt es nicht so viele arbeitslose Musicaldarsteller wie Schauspieler, doch wer in diesem Beruf etwas erreichen will, muss immer wieder gegen die Konkurrenz der Besten antanzen. Nach „Cats“ wird etwas Neues kommen. Ob in Berlin, London oder Wien ist zunächst unwichtig. Ein Musicalstar muss bereit sein, eine geliebte Stadt, Freunde und Eltern von heute auf morgen zu verlassen. Fahrendes Volk von heute.
Julias neuer Traum heißt „Tanz der Vampire“, das Kultmusical von Roman Polanski. „Großartig und irgendwie abgefahren“, schwärmt die kleine Katze. Dann schleicht sie hinauf in die Kantine, wo ihr Freund Paul mit Elektra und Alonzo plaudert und knackt noch eine Coke vor dem Auftritt.
Text: Kathrin Schrader; Fotos: CATS Theater am Potsdamer Platz Produktionsgesellschaft GmbH