Musikinstrumentenbauer (m/w/d)
Die hohe Kunst des Geigenbaus
Als Musikinstrumentenbauerin haucht Anna Karoline Meinel Holz eine musikalische Seele ein
Musik, so sagt man, liege im Blut. Musikinstrumentenbau auch – zumindest bei Anna Karoline Meinel. Mit 13 wollte sie unbedingt wissen, wer ihre Vorfahren waren und wo sie herkamen. Sie stöberte in alten Dokumenten, in Kirchenbüchern, im Internet und fand heraus: Sie stammt aus einer wahren Geigenbauerdynastie, deren Spuren sich bis ins Vogtland des frühen 18. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. Ihr Interesse war geweckt und nach einigen Praktika bei Musikinstrumentenbauern stand für Anna Karoline fest: Sie wird die Familientradition wiederaufleben lassen.
Die Geige wird oft als einer der Höhepunkte menschlichen Erfindungsgeistes bezeichnet. Sie schafft es, uns durch ihre äußerliche Schönheit und Symmetrie, ihre feine Ausarbeitung und natürlich ihre klanglichen Qualitäten in Verzückung geraten zu lassen. Den Klang einer Geige bestimmen vor allem die Art, der Zustand und die Bearbeitung des Holzes. Der Boden aus hartem Bergahorn, die Decke aus weicher Fichte, das Griffbrett aus nachtschwarzem Ebenholz, dazu Fingerspitzengefühl, gutes Augenmaß, viel Erfahrung und Zeit. „Ein Musikinstrumentenbauer muss viel handwerkliches Feingeschick mitbringen“, erklärt Anna Karoline. „Aber auch ein gutes musikalisches Gehör, Geduld und Ausdauer.“ Ein Instrument selbst spielen zu können, ist durchaus hilfreich. „Ich habe bereits als Kind Blockflöte gespielt. Zwei Jahre bevor ich Geigenbauerin geworden bin, fing ich an, Geigenunterricht zu nehmen.“
Musik ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn allen voran ist der Musikinstrumentenbau ein Handwerk und das will gründlich erlernt werden. „Neben Instrumentenkunde steht viel Akustik auf dem Lehrplan“, denn man muss wissen, wie sich die physikalisch technischen Messgrößen optimal in Klang umsetzen lassen. „Da sind gute Kenntnisse in Mathematik und Physik von Vorteil“, erinnert sich Anna Karoline. „Auch in Biologie sollte man ein bisschen aufgepasst haben. Das hilft, wenn es in Werkstoffkunde um die Beschaffenheit der verschiedenen Hölzer geht.“
Um für den Studiengang Musikinstrumentenbau mit den beiden Studienrichtungen Zupf- und Streichinstrumentenbau zugelassen zu werden, ist neben Abitur und bestandenen Eignungsprüfungen in der Regel auch ein Gesellenbrief als Geigen- oder als Zupfinstrumentenbauer Pflicht. Diesen hatte die 34-Jährige nach ihrer Ausbildung zur Geigenbauerin an der Berufsfachschule in Klingental in der Tasche. Die dort erlernten Fertigkeiten halfen ihr durch die Aufnahmeprüfung in Markneukirchen, einer Außenstelle der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Im Studium werden musikwissenschaftliche, naturwissenschaftliche, kunstwissenschaftliche und historische Erkenntnisse und Grundlagen vermittelt und vertieft. „Instrumentenneubau, Restaurierungen, ja praktisches Arbeiten ganz allgemein haben einen hohen Stellenwert. Da bleibt keine Zeit, um grundlegende Handwerksfertigkeiten erst neu zu erlernen.“ Natürlich ist das handwerkliche Geschick auch während des Praktikums eine wichtige Grundlage. Für ein Semester müssen sich nämlich alle Studentinnen und Studenten in der Werkstatt eines Meisters verdingen. Manche gehen dafür ins Ausland. „Für Geigenbauer wäre natürlich Cremona die erste Wahl. Das italienische Geigenbauzentrum hat durch Stradivari, Amati und Guarneri Weltruf erlangt“, erklärt Anna Karoline. „Wer sich für die Studienrichtung Zupfinstrumentenbau entscheidet, für den ist Spanien interessant. Daher stammt der Gitarrenbauer Antonio de Torres, der „Stradivari“ unter den Gitarrenbauern.“ Mit dem Studium des Musikinstrumentenbaus ist der Gipfel des Handwerks freilich noch nicht ganz erreicht. Parallel zum Ende des Studiums besuchte Anna Karoline deshalb bereits die verschiedenen Teile des Meisterkurses der Handwerkskammer. Nach dem Studium stand die Meisterprüfung an. „Ich habe dafür eine Barockvioline meines Vorfahren Andreas Hoyer nachgebaut.“
Heute betreibt Anna Karoline seit 2010 ihre eigene Geigenbauwerkstatt. „Für mich ist der Geigenbau genauso Berufung wie Beruf. Ich möchte ihn nicht missen und würde mich immer wieder für diesen Weg entscheiden“, versichert die 34-Jährige. „Natürlich muss man mit viel Herzblut an die Sache herangehen. Doch das wird belohnt. Eine meiner ersten Arbeiten als Selbstständige war die Reparatur eines Instrumentes, dass einer meiner Vorfahren gebaut hatte. Eine ganz besondere Freude“, gesteht sie. „Einerseits Stolz, etwas in der Hand zu halten, was meine Vorfahren selbst hergestellt haben. Andererseits Dankbarkeit, dass sich das Instrument über die Jahrhunderte erhalten hat.“
Text: Kai Dürfeld | Fotos: A. K. Meinel und R. Meinel