Notfallsanitäter (m/w/d)
Das beste Gefühl der Welt
Notfallsanitäter – ein Beruf bei dem man Menschen in Not sehr nahe ist
„Eine Hausgeburt, nicht weit weg von Dipps.“ Notfallsanitäter Lars Werthmann (32, links im Bild), der für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) seit 10 Jahren im Rettungsdienst tätig ist, muss nicht lange überlegen, als ich ihn nach einem Einsatz frage, der ihm besonders in Erinnerung geblieben ist. Er sitzt mir im Konferenzraum im DRK Bildungswerk Sachsen gGmbH in Dresden gegenüber. An seiner Seite Peter Ebert (23, rechts im Bild), Azubi zum Notfallsanitäter beim DRK. Beiden Männern sieht man an, dass sie zupacken können, nicht zimperlich sind und schnell jede dramatische Situation in den Griff bekommen. „Die Hebamme rief bei der 112 an und sagte, dass das Kind schlecht atme. Wir kommen da an, die Nabelschnur war noch dran, das Kind ohne Atmung, blitzeblau. Die Eltern panisch, die Hebamme panisch und wir wussten, es ist de facto so schnell kein Notarzt verfügbar. Und dann haben wir gekämpft, wirklich gekämpft! Wir haben versucht, das winzige Wesen durch Herzdruckmassage zu reanimieren. Wir haben gedrückt, gedrückt, gedrückt. Haben Medikamente verabreicht. Alles gegeben, was in unserer Kraft lag. Und irgendwann nach anderthalb Stunden kam dann endlich der Baby-Notarztwagen mit einem Notarzt, dem wir das Kind übergeben konnten.“ Lars schluckt. „Das ging uns absolut an die Nieren, weil wir fest der Überzeugung waren, das Kind wird es nicht schaffen. Und wenn doch, dann als Pflegefall.“ Kurze Pause. „Knapp zwei Jahre später stehe ich am Eisstand in Malter und ein Mann spricht mich an, ob ich nicht der Notarzt sei, der vor anderthalb Jahren sein Neugeborenes reanimiert habe,“ berichtet er dann. „Und da saß dieses Kind im Kinderwagen mit einer Eistüte in der Hand und war quietschfidel!“, strahlt er. „Das Kind so wohlbehalten zu sehen, war ein unbeschreibliches Gefühl. Das beste Gefühl der Welt, mit keinem Geld der Welt aufwiegbar. Und das ist das Dankbare an dem Beruf. Diesen Dank erlebt man nur in solch einem Beruf. Man erlebt viel Leid, viel Mist. Aber ab und zu solche Highlights.“
Jeder, der sich mit dem Gedanken trägt, eine Ausbildung zum Notfallsanitäter zu beginnen, sollte unbedingt vorher ein Praktikum auf einer Rettungswache absolvieren und drei, vier Einsätze mitfahren, raten Lars und Peter. Denn Rettungsdienst sei zwar eine total spannende, aber eben kräftezehrende Aufgabe. Das sollte man wissen. Auch, dass man nicht ständig der gefeierte Held ist und Action erlebt. Denn die häufigsten Noteinsätze fahren in Altenheime, zu Senioren mit Herzbeschwerden oder Oberschenkelhalsbruch. „Für viele sieht Rettungsdienst sexy aus – mit Blaulicht fahren, Uniform tragen, Leben retten. Aber es steckt viel mehr dahinter. Der Beruf vereint vom Seelsorger bis zum Intensivmediziner alles.“ Während der Ausbildung – an der Rettungswache, in der Schule und in Krankenhäusern und dort z. B. in der Anästhesie, im Pflegebereich, im OP – wird den zukünftigen Rettern deshalb ein breitgefächertes medizinisches Fachwissen vermittelt. Sie werden interdisziplinär ausgebildet von der Pflege bis hin zur Notfallmedizin. Sie erhalten das Rüstzeug, um professionell medizinische Maßnahmen der Erstversorgung durchzuführen, die Transportfähigkeit von Patienten sicherzustellen und deren medizinischen Zustand während des Transports zu überwachen. Es gibt kaum einen Beruf, bei dem man Menschen in Not so nahe ist, ihnen mit wenigen Mitteln so entscheidend helfen kann.
„Man hat draußen vor Ort bei einem Verkehrsunfall oder Großschaden nie Idealbedingungen wie in einem Krankenhaussaal, wo alles beleuchtet ist, wo Ärzte mit Skalpellen warten. Nein, man muss sich immer mit den Bedingungen vor Ort anfreunden, schnell kombinieren und improvisieren. Das kann ein enges Badezimmer sein, wo man kaum Platz fürs EKG-Gerät findet, das kann auf einer schnell befahrenen, regennassen, finsteren Autobahn sein. Aber das macht es ja gerade so spannend!“, so Lars. Peter fügt an: „Man wird so ausgebildet, dass einem die Abläufe in Fleisch und Blut übergehen, dass man routiniert handelt. Man sieht eigentlich schon von Weitem, welche Krankheit vorliegt. Dann geht man mit seinen Schemas – Routinen zur Untersuchung und Versorgung von Patienten auf Basis einer Prioritätenliste – ran, verschafft sich Gewissheit und verabreicht Medikamente, um den Patienten zu stabilisieren und transportfähig zu machen.“
In diesem Beruf muss man körperlich fit und in der Lage sein, schwer zu tragen. „Man muss mit Menschen können. Alt, Jung, Obdachloser, Ausländer, allen. Das muss man im Blut haben oder schnell lernen“, so Peter. „Das Team in der Wache ist wie eine Familie. Man wächst zusammen. Man erlebt gemeinsam Extremsituationen, die zusammenschweißen. Man kocht zusammen, während man auf den nächsten Einsatz wartet. Man verarbeitet miteinander Erlebnisse. – Ja, und wenn man einmal Feuer gefangen hat, kommt man nicht mehr los.“
Text & Fotos: Steffi Mrosek