Physiklaborant (m/w/d)
Am Puls der Wissenschaft
mit Geduld und Fingerspitzengefühl
Katja Berger füllt metallisches Pulver in eine zylindrische Form, setzt diese in die Heißpresse und verpresst das Ganze bei rund 700 Grad Celsius. „Wir erforschen hier die günstigsten Herstellungsbedingungen der Materialien, um sehr gute Magneteigenschaften zu erhalten“, erklärt sie. Hier, das ist ihr derzeitiger Arbeitsplatz in der Abteilung „Magnetismus und Supraleitung“ am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW). Katja ist Physiklaborantin, und wenn sie nicht gerade an der Heißpresse wirkt, präpariert sie Proben für das Raster-Elektronen-Mikroskop oder macht selbst Aufnahmen. Technisches Verständnis, persönliches Interesse an naturwissenschaftlichen Vorgängen und eine gehörige Portion Unerschrockenheit gegenüber mathematischen Formeln gehören schon dazu, um sich im Physiklabor zu bewähren. Für die 22-Jährige genau das Richtige. Denn als sie ihr Abi mit den Leistungskursen Mathe und Physik in der Tasche hatte, stand für sie fest: „Studieren will ich nicht.“ Zur Physiklaboranten-Ausbildung wurde ihr beim Arbeitsamt geraten und zur Bewerbung beim IFW.
Ähnlich erging es der ebenfalls 22-jährigen Anja Grahl aus Heidenau. Auch sie hat ihr Abi in Mathe und Physik gemacht. Das Arbeitsamt war ihr bei der Berufswahl allerdings keine Hilfe. „Die wollten mich unbedingt an die Uni schicken“, erinnert sie sich kopfschüttelnd. Ein Zeitungsartikel über ihren heutigen Arbeitgeber war schließlich ausschlaggebend: Sie bewarb sich direkt beim IFW und wurde genommen. Seit Februar ist auch Anja eine ausgelernte Physiklaborantin und führt in der Abteilung „Dünnschichtsysteme und Nanostrukturen“ verschiedene Messungen durch. „An unseren Messinstrumenten ist vieles Marke Eigenbau“, erläutert sie. „Daher müssen wir das dann auch selbst reparieren.“ Gefährlich? Nein, gefährlich sei ihre Tätigkeit eigentlich nicht, sagt Anja. „Die Versuche werden von mehreren Leuten überwacht, und außerdem gibt es ja Warnsysteme.“
Formeln, Messwerte und Fachenglisch
Versuchsreihen vorbereiten, Messungen durchführen und genau dokumentieren, mit viel Fingerspitzengefühl Proben präparieren und mit hochtechnologischen Geräten souverän umgehen, sind die Hauptaufgaben von Physiklaboranten. Doch sie müssen sich nicht nur über Formeln und Messwerte verständigen. Neben dem gekonnten Umgang mit Zahlen, gehören auch Fremdsprachenkenntnisse dazu.
In einem Forschungsinstitut vor allem Englisch, da in den meisten Abteilungen ausländische Mitarbeiter tätig sind. Außerdem sind Fachartikel ebenso in englisch verfasst wie die Bedienungsanleitungen der zahlreichen technischen Apparaturen.
Dreieinhalb Jahre lang lernen Physiklaboranten in Praxis und Berufsschule. Ausbildungsstellen gibt es in öffentlichen Forschungseinrichtungen und in der Industrie. Dabei ist das Abitur keine zwingende Voraussetzung, denn der Physiklaborant ist ein klassischer Lehrberuf für Mittelschüler. Doch an Forschungsinstituten wie dem IFW wird ein Abitur gerne gesehen. „Das liegt an den Fächerinhalten in der Schule“, erklärt Brunhild Schandert, verantwortlich für die Ausbildung der Physiklaboranten im IFW. „An den Mittelschulen werden bestimmte Themen nicht ausführlich genug behandelt.“ Das hat sie in den Tests bei Bewerbungsgesprächen festgestellt. Probleme haben gerade Bewerber von der Mittelschule immer wieder beim exakten Umgang mit Maßeinheiten, die für den Beruf ausgesprochen wichtig sind. „Natürlich gehören Maßeinheiten zum Unterrichtsinhalt“, sagt Brunhild Schandert. „Doch das wird kurz besprochen und nicht wirklich vertieft.“
„Ein idealer Beruf für Frauen“
Überrascht ist Brunhild Schandert immer wieder, dass die Mehrzahl der Ausbildungsbewerber männlich ist. Dabei hat sie die Erfahrung gemacht, dass die saubere Labortätigkeit gerade Frauen besonders gut liegt. „Es ist ein idealer Beruf für Frauen“, erklärt die Ausbilderin. Denn bei den Versuchen im Physiklabor gehe es vor allem um zwei Eigenschaften: viel Geduld und Fingerspitzengefühl.
Katja Berger und Anja Grahl jedenfalls fühlen sich wohl im Labor, zumal sie keine reinen Befehlsempfänger sind, sondern selbstständig mitarbeiten. „Die Aufgaben werden zwar von den Vorgesetzten vorgegeben“, berichtet Anja. „Aber arbeiten kann ich nach eigener Zeiteinteilung.“ Die Vorgesetzten, das sind Naturwissenschaftler, in der Regel mit Doktorgrad.
„Manche Wissenschaftler sind so sehr Wissenschaftler, dass sie Probleme haben, Inhalte für Nichtwissenschaftler verständlich zu erklären“, sagt Anja schmunzelnd. Doch gerade beim Fachgebiet Physik sei das eher eine Ausnahme, denn die meisten kennen die Arbeit im Labor. „Wenn jemand von der Praxis Ahnung hat, klappt das natürlich gleich viel besser“, ergänzt Katja.
Weniger zufrieden sind die beiden Physiklaborantinnen allerdings mit ihren Aufstiegsmöglichkeiten. Sie haben zwar prinzipiell die Möglichkeit, sich als staatlich anerkannte Facharbeiterin zur Technikerin für bestimmte Fachrichtungen fortzubilden. In der Realität ist das aber schwierig, denn die einzige Fortbildung dieser Art bundesweit wird in Mainz angeboten.
Und eine weitere Träne drückt im Reagenzglas: So wurden Katja und Anja zwar nach ihrer Ausbildung übernommen – wie alle acht Physiklaboranten, die das IFW seit 1996 ausgebildet hat. Derzeit haben die beiden jedoch nur befristete Projektstellen inne. Ein Problem, das typisch ist für öffentliche Forschungsinstitute und natürlich nicht ausschließlich das Laborpersonal trifft, sondern auch viele Wissenschaftler. So hoffen die Laborantinnen nun, dass bisherige Projekte verlängert oder neue bewilligt werden. Oder dass sie Arbeitsplätze in anderen öffentlichen Einrichtungen finden. Denn auch, wenn man in der Industrie durch Schichtarbeit meist mehr verdient: Katja Berger und Anja Grahl arbeiten am liebsten am Puls der Wissenschaft.
Auch Brunhild Schandert bedauert den Stellenabbau. „Wir brauchen gute Laboranten“, erklärt sie mit Nachdruck. „Und hier hat man viele Möglichkeiten und sehr interessante Aufgaben.“ Zum beginnenden Lehrjahr bekommt die engagierte Ausbilderin zwar keine neuen Schützlinge. Doch ab 2003 werden im IFW wieder Physiklaboranten ausgebildet. Interessierten Schülern rät sie daher zum Schulpraktikum oder auch zur Ferienarbeit im Labor. Wer die 9. Klasse besucht, hat gute Chancen, im IFW in den Alltag des Physiklaboranten hineinzuschnuppern. Dazu muss man nicht gleich Preisträger von „Jugend forscht“ sein, sondern sollte sich persönlich vorstellen und „einfach eine gesunde Portion Interesse“ mitbringen.
Text: Christine Sylvester; Fotos: IFW Dresden