Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen (m/w/d)
Wenn Vivien zweimal klingelt …
Fachkräfte für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen stellen Briefe, Päckchen, Pakete zu
Briefträger sind romantisch. Briefträger sind komisch. Filmen und Romanen geben sie oft die entscheidende Wendung. Briefträger werden besungen. Briefträger werden gebissen.
Vivien Obersteiner wurde auch schon einmal gebissen. Von einem braun gelockten Terrier. Das hat ihrer Tierliebe nicht geschadet. Wenn sie den gelben VW-Transporter langsam durch die Vorstadtsiedlung steuert, wartet die schwarz-weiße Colliehündin bereits auf sie, kommt schwanzwedelnd auf die Postbotin zugelaufen. Sie weiß, dass Vivien immer einen Leckerbissen in der Tasche hat. Vivien begrüßt zuerst die Hündin, dann öffnet sie den Laderaum und sucht aus den Paketen, Kaufhauskatalogen, Briefen, Einschreiben und Urlaubskarten die Post für Familie Meier heraus.
An Tagen wie diesem sieht ihre Arbeit idyllisch aus. Die Sonne scheint. Es ist warm. Vivien trägt das blonde Haar frisch frisiert. Ihre Lippen sind himbeerrot. Das gelbe Shirt leuchtet in der Sonne. „Im Winter kann es auch mal ungemütlich werden“, sagt sie.
Herr und Frau Meier kommen zum Gartenzaun geschlendert. Sie möchten ein bisschen mit der jungen Frau plaudern. Über den Hund, das Wetter, die Blumen. Das gefällt Vivien an ihrem Beruf. Dass man Leute kennen lernt. Fährt man immer wieder andere Routen, trifft man häufig neue Leute. Arbeitet man immer wieder in den gleichen Straßen, freuen sich die Menschen auf ein Wiedersehen, entwickeln Vertrauen, erlauben der Briefträgerin, den Garten zu betreten und geben ihr sogar den Schlüssel für die Garage, damit sie dort Pakete abstellen kann. Die Dame, die mit ihrer Katze vom Tierarzt kommt, erklärt Vivien, warum ihre Katze so mager ist und was die Veterinärin für ein Stärkungsmittel verordnet hat. Vielleicht halten die Menschen die Überbringer von Nachrichten für neugierig. So funktioniert Kommunikation eben. Briefträger sollten ein bisschen zuhören können und nichts gegen eine kleine Unterhaltung am Gartenzaun haben.
Vivien kam durch die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher, kurz EQJ genannt, zu ihrem Beruf. Die EQJ ermöglicht Jugendlichen nach ihrer Schulzeit, ihren zukünftigen Beruf über ein längeres Praktikum kennenzulernen, bevor sie die Ausbildung beginnen. Das EQJ ist eine gute Alternative für alle, die vom Schulbankdrücken die Nase voll haben und schon mal ein bisschen Praxisluft schnuppern möchten, bevor es mit der Ausbildung weitergeht. Seit einem Jahr arbeitet die dreiundzwanzigjährige Vivien als Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen. So lautet die korrekte Berufsbezeichnung. Als solche leert sie u. a. auch Briefkästen, sortiert und dokumentiert Sendungen, bereitet diese für den Versandweg vor, nimmt Sendungen und Zahlungen entgegen, plant Zustellfolgen.
Die Tour dauert einen ganzen Arbeitstag. An einem Briefkasten ist das Namensschild abgebrochen. Zum Glück erinnert sich Vivien an den Namen. Idealerweise ist die Ladefläche des Transporters am Nachmittag leer. Doch oft sind Sendungen dabei, die sie nicht zustellen konnte und in den Zustellstützpunkt zurückbringen muss. Das ist die Stelle, in der sie morgens die Postsendungen entgegennimmt. Vivien muss sich um diese Sendungen kümmern, sie entweder an den Absender zurückschicken oder am nächsten Tag wieder auf ihre Tour legen.
Ein Briefträger sollte wissen, dass er mit wertvollen, persönlichen Botschaften unterwegs ist, jenem Zündstoff eben, der die Fantasie der Künstler anregt, wenn sie an diesen Beruf denken. Er sollte entsprechend verantwortungsbewusst sein und einige rechtliche Dinge wissen, zum Beispiel, wann ein Einschreiben in den Briefkasten gesteckt und wann es persönlich ausgehändigt werden muss.
Vivien liebt ihren Beruf. Sie ist sich bewusst, dass sie eine überaus wichtige Arbeit tut. Dabei möchte sie bleiben.
Text & Fotos: Kathrin Schrader