Psychotherapeut (m/w/d)
Im Gespräch das Lachen wiederfinden
Psychotherapeuten begleiten Menschen aus schwierigen Lebenssituationen
Wer sich bei Franziska Einsle und Samia Chaker therapieren lässt, bekommt Hausaufgaben auf. Das könnte zum Beispiel sein: Alleine mit dem Bus fahren oder einen ganzen Sonntag einfach mal nichts zu tun.
„Das sind alles Dinge, die für die meisten Menschen selbstverständlich sind, aber eben nicht für alle“, sagt Franziska. „Zu uns kommen Menschen mit Depressionen, Ängsten und Traumata. Außerdem behandeln wir Essstörungen“, ergänzt Samia.
Da ist zum Beispiel Herr B., der Panikattacken bekommen hat, wenn er mit dem Bus fahren musste. Oder Frau H., die Perfektionistin, die jeden Tag zehn bis vierzehn Stunden gearbeitet hat, nebenbei noch ihre Familie versorgt und ihre Wohnung picobello in Ordnung hatte. Irgendwann kam dann der Zusammenbruch: schwere Depressionen. Auf Neudeutsch heißt das Burn-Out-Syndrom.
Es kommen aber auch Studenten in die Therapie, die so sehr an ihrer Prüfungsangst leiden, dass sie nicht wissen, wie sie ihr Studium beenden sollen. „Psychische Störungen gehen durch alle Altersgruppen und Schichten. Da ist niemand von ausgenommen“, erklärt Samia. „Mit dem Studenten üben wir Prüfungssituationen, mit Herrn B. Bus fahren“, sagt Franziska. Dann kann eine Therapiestunde schon einmal länger dauern, denn dann geht es in die Stadt. „Neulich war ich mit einer Patientin auf einem Turm. Sie hatte Höhenangst und als wir nach drei Stunden wieder unten waren, hat sie über das ganze Gesicht gestrahlt“, erzählt Samia. Überhaupt sind sich beide Psychotherapeutinnen einig: Das Schönste an ihrem Beruf sei, dass es nie langweilig werde. „Und dass ich so viel von meinen Patienten lernen kann“, ergänzt Samia. „Gerade ältere Menschen haben sehr viel Lebenserfahrung und schon so viel erlebt.“
Warum sie sich für das Studium entschieden haben? „Ich wollte immer anderen Menschen helfen, sie durch schwierige Prozesse begleiten“, überlegt Franziska, „außerdem mochte ich schon immer Mathematik und die Methodik in der Psychologie.“ Nicht alle Universitäten legen solchen Wert auf die Methodik, aber in ihrem Studium war das der Fall. Dabei geht es darum, seelische Prozesse sichtbar zu machen. Mit anderen Worten: Wie kann man Motivation, Emotionen, Gefühle messen. Für die Therapie bedeutet das, zu untersuchen, wie man sehen kann, dass es dem Patienten nachher besser geht als vor der Therapie. Franziska hingegen ging es wie vielen anderen Psychologiestudenten. Sie war überrascht, wie viel Mathematik in der Psychologie steckt. Doch für die Auswertung der Studien ist die Statistik unerlässlich. „Aber es wurde wirklich sehr gut erklärt“, lacht sie, „man kann damit klar kommen.“
Menschen zu helfen, war auch ihre Motivation für das Studium. „Ich war schon immer Anlaufstelle für Probleme anderer Menschen. Auch schon in der Schulzeit. Und es ist einfach wunderbar, zu sehen, wenn Menschen ihr Lachen wiederfinden. Meine Patientin Frau H. beispielsweise, die Perfektionistin, die so viel gearbeitet hat. Als sie zu uns kam, empfand sie es als Luxus, jeden Tag um 5:30 Uhr aufzustehen. Inzwischen hat sie ihre Ansprüche an sich heruntergeschraubt. Sie lässt sich für alles mehr Zeit, schläft auch mal aus und arbeitet weniger. Neulich sagte sie, sie sei ein viel fröhlicherer Mensch geworden und genieße die Zeit, die sie nun mit ihrer Familie habe.“
Doch nicht alle Menschen wollen sich helfen lassen. Und auch das sei gut so, sind sich die beiden Psychotherapeutinnen einig. „Manche Menschen wollen ihre Störung behalten“, sagt Franziska. „Daher ist es auch für uns wichtig, zu lernen, dass man nicht alles ändern kann. Und manche kommen dann Jahre später wieder und sagen, nun sei es Zeit, an der Störung zu arbeiten.“
Text & Fotos: Silke Ottow