Rechtspfleger (m/w/d)
Am Puls der Gesellschaft
Rechtspfleger treffen eigenverantwortlich und unabhängig gerichtliche Entscheidungen
Wegen ihres ausgeprägten Gerechtigkeitssinns und ihrem Interesse an Rechtsfragen dachte Julia (im Bild) zum Ende ihrer Schulzeit über ein Jurastudium nach. Eine Lehrerin empfahl ihr damals das dreijährige duale Studium zum/r Diplom-Rechtspfleger/in (FH), wofür sie sich schließlich entschied.
„Die ursprüngliche Grundidee des Berufsbildes war die Entlastung der Richter“, erklärt sie. „Wie diese entscheiden Rechtspfleger/innen eigenverantwortlich und unabhängig.“ Studierende sind bereits im Vorbereitungsdienst beim Oberlandesgericht angestellt und somit Beamte auf Widerruf. Nach bestandener Prüfung und angefertigter Diplomarbeit werden sie für 3 Jahre Beamte auf Probe. Im Anschluss beginnt das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Die zeitlichen Spannen von theoretischen Studienabschnitten und Praxisphasen variieren je nach Bundesland. In den meisten Fällen wechseln sich Theorie und Praxis in gleicher Länge ab. So können erlernte Rechtskenntnisse direkt bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Justizverwaltungen angewandt werden. Die Rechtspflegeranwärter übernehmen in dieser Zeit schon Aufgaben ihres späteren Fachbereichs. Sie führen Gespräche mit betroffenen Bürgern und bearbeiten deren Anliegen beispielsweise Nachlass-, Betreuungs- und Vormundschaftssachen, Zwangsvollstreckungen, Grundbuch- oder Handelsregisterangelegenheiten und halten Rücksprache mit involvierten Anwälten oder Notaren.
Julia arbeitet heute als Rechtspflegerin bei der Landesjustizkasse Chemnitz, einer Abteilung des Dresdner Oberlandesgerichtes und jene Stelle wo Kosten, welche für Klageverfahren, Testamentseröffnungen oder Mahnbescheide entstanden sind, eingehen. Ein sehr sensibler Dienstort, nahe am Puls der Gesellschaft. Hier treffen gesetzliche Vorschriften und Paragrafenzeichen auf menschliche Schicksale. Zu Julias Aufgaben gehört es, Gerichtskosten einzuziehen, Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu überwachen und darauf zu achten, dass Regressbeschlüsse in Betreuungsverfahren eingehalten werden. Dabei sind sehr viel Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen und soziale Kompetenz aber auch Gesetzestreue und Entscheidungsstärke gefordert. Natürlich gibt es immer wieder Sachverhalte, die sie emotional berühren oder sie muss Entscheidungen treffen, die nicht jedem gefallen (so, wie ja in fast jedem Beruf). Doch sie hat gelernt, damit umzugehen, gerichtliche Neutralität und Unbefangenheit zu wahren und allen Beteiligten ein faires Verfahren zu ermöglichen.
„Zu meinen Aufgaben zählen u. a. das Erlassen von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen. Ich prüfe und bewillige außerdem Ratenzahlungen, wenn ein Klient die Summe nicht in einem Stück zahlen kann. Letzteres findet häufig bei Menschen mit psychischer der körperlicher Behinderung Anwendung. Sobald diese das 18. Lebensjahr erreichen, erlischt die elterliche Sorge. Damit der Bürger ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen kann, wird hier eine Betreuung angeregt.
Je nach Fachabteilung unterscheiden sich die Tätigkeiten der Rechtspfleger. In jedem Fall verfügen sie über umfangreiches Fachwissen und kennen die aktuelle Rechtsprechung sowie eventuelle Änderungen, die damit einhergehen. Schnelle Auffassungsgabe und Flexibilität helfen Julia am Ball zu bleiben. Gleichzeitig mag sie die neuen Herausforderungen, die sich durch die stete Änderung der Gesetzgebung ergeben. Positiv empfindet sie die freie Arbeitseinteilung, das selbstständige Arbeiten und die Sicherheit des Einkommens, welches sich je nach Erfahrungsstufen anpasst. Wer sich für den Job eines Rechtspflegers entscheidet, sollte noch ein paar Besonderheiten kennen. Statt Studiengebühren zu zahlen, erhält man während der Ausbildung sogenannte Anwärterbezüge. Das Höchstalter bei der Einstellung darf 34 nicht überschreiten und es existiert eine Bindung zum Bundesland, in dem der Beruf erlernt wurde.
Text & Foto oben: Romy Stein; Foto unten: Photocreo Bednarek (fotolia.com)