Reiseleiter (m/w/d)
Wohlfühlfaktor Nummer eins
Reiseleiter sind Organisationstalente, Problemlöser und Kummerkasten in einem
Einmal um die ganze Welt – mit dem Schiff über die blaue Donau hinein ins Schwarze Meer; per Trekkingtour über die Alpen; auf dem Rücken eines Dromedars durch die flimmernde Hitze der Sahara oder zu Fuß das Colosseum in der „Ewigen Stadt“ erkunden. Für viele klingt das nach Urlaub, Abenteuer, Fernweh. Für einige ist das Alltag, Beruf und manchmal auch Berufung. Denn der Arbeitsplatz von Reiseleitern ist dort, wo andere Ferien machen.
Strippenzieher, Diplomat, Führungskraft
Dass es trotzdem keine Erholung ist, lässt sich schon anhand der Jobbeschreibung erahnen. Als guter Geist kümmert sich die Reiseleitung schon auf dem Hinweg um einen möglichst reibungslosen Ablauf. Tickets abholen, Pässe einsammeln, den Bus ins Hotel organisieren, die Zimmer verteilen – das alles läuft im Hintergrund, während die Urlauber ihrem Abenteuer entgegenfiebern.
Wer Reisen leitet, spezialisiert sich oftmals auf eine Region. Das hat ganz praktische Vorteile. Denn zu Studien-, Abenteuer- und Rundreisen – der Domäne vieler Reiseleiter – gehört ein ausgefeiltes und abwechslungsreiches Ausflugsprogramm. Gute Ortskenntnis hilft dabei ungemein und wer das lauschige Restaurant im Hinterhof der alten Villa oder eine abgelegene Bucht mit seiner Reisegruppe teilt, blickt noch Tage danach in freudestrahlende Gesichter. Auch ein Faible für die Kultur des Gastlandes schadet nicht. Denn wer viel über Land und Leute weiß, kann die Ausflüge mit spannenden Geschichten würzen. Natürlich sind auch Sprachkenntnisse von Vorteil, um Fahrzeuge zu organisieren, Eintrittskarten zu kaufen oder die Ausführungen lokaler Guides zu übersetzen.
„Strippenzieher“ im Hintergrund zu sein, ist aber nur ein Teil des Jobs eines Reiseleiters. Vor Ort ist er das Gesicht der Reise. Als Ansprechpartner stets erreichbar, immer mit einem oder besser zwei offenen Ohren. Seine Freundlichkeit hat nie Pause, das Lächeln ist sein Markenzeichen, stets weiß er, mit den kleinen und großen Wehwehchen seiner Schützlinge umzugehen. Das kann mitunter sehr herausfordern. Denn einen wirklichen Feierabend gibt es während der Reise nicht – Fitness und Stressresistenz helfen, auch lange und hektische Tage durchzustehen. Unvorhergesehene Ereignisse wie erkrankte Reisende oder ausgefallene Verkehrsmittel erfordern flexibles Handeln, diplomatisches Geschick, Führungsstärke, Einfühlungsvermögen. Denn auch für Beschwerden, die an sie herangetragen werden, sind sie verantwortlich. Hier heißt es: abstellen, schlichten, dokumentieren.
Ausbildung im „Do it yourself“-Stil
Wer Reiseleiter werden möchte, stellt erst einmal fest, dass es den Beruf eigentlich gar nicht gibt – zumindest nicht im dualen Ausbildungssystem oder als Studienfach an der Uni. Eine Vorbildung im Tourismusbereich ist zwar hilfreich, aber keine Voraussetzung. Ganz unvorbereitet müssen zukünftige Reiseleiter aber trotzdem nicht auf ihre erste Reisegruppe treffen. Denn Aus- und Weiterbildungskurse gibt es mittlerweile beinahe wie den sprichwörtlichen Sand am Meer. Die reichen von der „Schnellbesohlung“ im Tagesseminar über mehrtägige Kurse in Deutschland oder direkt vor Ort an beliebten Reisezielen bis hin zu mehrwöchigen Lehrgängen mit IHK-Zertifikat. Derartige Kurse vermitteln nicht nur Fachwissen der Tourismusbranche wie etwa Reiserecht. Sie zeigen auch die besten Strategien, wie die Reiseleiter von morgen ihr Wissen lebendig vermitteln, Konflikte lösen oder ihre Gruppe souverän führen. Die Kurse müssen aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Eine Ausbildungsvergütung gibt es ebenso wenig wie die Aussicht auf eine Übernahme durch einen Reiseveranstalter.
Ohnehin sind Festanstellungen eher die Ausnahme. In der Regel wird auf Honorarbasis gearbeitet. Seine Auftraggeber – Reiseveranstalter, Fremdenverkehrsämter, Bus-, Bahn- oder Schifffahrtunternehmen – sucht sich der Reiseleiter selbst. Steuern und Sozialabgaben zahlt er vom Honorar. Dafür sind Kost, Logis und Transport während der Reise selbstverständlich gratis. Die Lebensläufe von Reiseleitern sind sehr verschieden: Während die einen im Hauptberuf die Welt erkunden, leiten andere nur ein, zwei Mal im Jahr eine Reisegruppe; die einen nutzen den Job in den Semesterferien als willkommene Abwechslung zur Vorlesungszeit, andere ordnen sich in Zeiten persönlichen Umbruchs in der Ferne neu. Dabei haben sie alle eines gemein: Sie arbeiten dort, wo andere Urlaub machen.
Text: Kai Dürfeld | Fotos: oben: Rawpixel.com; unten: Alliance (fotolia.com)