Schornsteinfeger (m/w/d)
Ich steige dir aufs Dach
Sabine Steinbach ist Schornsteinfegerin
Es ist Freitag morgen gegen neun Uhr, als ich mich mit Sabine Steinbach an einer Hauptstraße in Leipzig-Wahren treffe. Die 20-Jährige ist eine der gerade mal zwei Schornsteinfegerinnen, die es laut Innung in Leipzig gibt. „Bist du soweit?“, fragt mich das blitzblanke Gesicht. Ich nicke und bin irritiert: Einen so sauberen Schornsteinfeger habe ich noch nie gesehen.
Der Beruf des Schornsteinfegers ist zugleich der eines Technikers und Sachverständigers. „Wir prüfen die Abgasanlagen von Heizungen und messen den Kohlenmonoxidausstoß“, sagt sie. Ein Chemie-Ass muss sie für diese Umwelt schützende Arbeit nicht sein. „Da helfen uns schlaue Messgeräte.“
Viel Technik
In der dreijährigen Lehre war das anders. Außer dem Taschenrechner gab es keine Hilfsmittel. „Am schlimmsten war die Technische Mathematik“, erinnert sie sich. Sie musste zum Beispiel die Auftriebsgeschwindigkeit von Luft im Schornstein berechnen. „Als Mädchen hatte ich keinen so rechten Plan von der Materie, aber da musste ich durch“, meint Sabine. In Technologie waren „aufregende“ Dinge wie die Zusammensetzung von Abgasen Thema. „Es gab Tage, da hatte ich so meine Zweifel, ob ich das Richtige mache“, sagt sie. Doch inzwischen ist sie glücklich, genau wie ihr Vater Schornsteinfeger zu sein. Der Beruf macht ihr Spaß und ist abwechslungsreich.
Prunkstück Zylinder
Wir haben das Firmenauto erreicht. Sabine öffnet die Hecktür und zeigt auf ihre Kleidung. „Das hier ist der Messanzug. Jetzt muss ich jedoch eine Esse fegen und den Kehranzug anziehen“, erklärt sie mit wichtiger Miene und schreitet am Fahrbahnrand zur Tat. Nicht ohne von Autofahrern beäugt zu werden. „Die gucken auch wieder weg“, meint sie grinsend. Dann zaubert sie das Prunkstück eines jeden Schornsteinfegers hervor: den Zylinder. Ehe sie ihn aufsetzt, hebt Sabine mit kühnem Schwung den Kehrbesen samt Kugel aus dem Wagen. „Die Kugel zieht den Besen in der Esse nach unten“, erklärt sie. Wie viel die Stahlmurmel wiegt, kann sie nicht beantworten. „Da mache ich mir keinen Kopf, ich nehme mein Werkzeug mit, egal wie schwer es ist“, verkündet die 1,70 Meter große Leipzigerin und zeigt auf ein Haus.
Ab aufs Dach
„Da müssen wir hoch. – Höhenangst?“, fragt sie mich grinsend. „Ich weiß nicht“, höre ich mich sagen. Ich schätze die Höhe des Gebäudes auf zehn bis zwölf Meter. „Es sind dreizehn“, korrigiert mich die Schornsteinfegerin. Dreizehn. Ich bin nicht abergläubisch. Oder doch? Ach was, ab aufs Dach. Müssen wir ja wohl. Zügig gehen wir die knarrenden Holzstufen hinauf. Bis uns in der vierten Etage eine verschlossene Bodentür den Zugang erschwert. Sabine zückt einen Dietrich. Der Spezialschlüssel greift und die schwere Tür gibt den Blick frei auf eine dunkle, spinnwebenreiche Kammer. Zielsicher geht Sabine auf die Holzleiter zu, erklimmt die Stufen. Oben angekommen, öffnet sie mit quietschendem Geräusch die Dachluke. „Kommst du hinterher?“, fragt sie. Ich folge brav.
Blick über Leipzig
Als ich in luftiger Höhe meinen Kopf aus dem Dach stecke, bin ich überwältigt. „Das ist doch mal eine Aussicht“, meint Sabine und breitet ihre Arme aus. Erst jetzt merke ich, dass sie nur auf einem schmalen Brett steht und freihändig balanciert. Ich nicke anerkennend und krabble auf allen Vieren hinterher. „So hab ich mich am Anfang auch angestellt, mittlerweile macht mir die Höhe nichts aus“, grinst Sabine. Spätestens seit der Prüfung. „Da musste ich auch einen Schornstein fegen. Wenn ich da unsicher auf dem Dach gewesen wäre, hätte ich gleich aufhören können.“ Umso aufgeregter war Sabine. „Klar hatte ich Angst, die hat ja wohl jeder“, meint sie und lässt ihren Kehrbesen die Esse runterrutschen.
Wenige Minuten später ist die junge Frau schon fertig. Eine halbe Stunde hat sie Zeit für einen Kunden. Das heißt viel herumfahren. Hier eine Abgasmessung, dort eine Abluftprüfung. Und ab und zu die eigentliche Arbeit: Glück bringen. Denn historisch betrachtet soll der Schornsteinfeger das Glück demjenigen bringen, dessen Esse gekehrt ist. Weil dann sein Haus nicht abbrennt. „Also bin ich im Grunde genommen eine gute Fee?“ Sabine lacht und verabschiedet sich zum nächsten Kunden.
Text & Fotos: Daniel Große