Staatsanwalt (m/w/d)
Voll Jurist
Staatsanwälte tragen eine große Verantwortung in polizeilichen Ermittlungen und im Gerichtssaal
In den meisten Krimis, die ihr kennt, kommt eine Person zu kurz: der Staatsanwalt. Denn der Staatsanwalt ist derjenige, auf dessen Schreibtisch sämtliches Material, das die Ermittler der Polizei zu einem Fall zusammentragen, bewertet. Staatsanwälte können auch selbst noch belastendes oder entlastendes Beweismaterial hinzufügen. Sie entscheiden schließlich, ob Anklage erhoben wird, also ob ein Fall überhaupt vor Gericht kommt. Jede Ermittlung, ob Fahrraddiebstahl oder Raubmord, wird von ihnen kontrolliert und begleitet. Wenn die Polizei besondere Maßnahmen plant; eine Kontenüberwachung, Hausdurchsuchung oder die Observation eines Verdächtigen zum Beispiel, geht das nicht ohne das Einverständnis der Staatsanwaltschaft. In besonders schweren oder brisanten Fällen sind Staatsanwälte bei Durchsuchungen oder Festnahmen mit vor Ort.
Dass sie nicht so krimitauglich sind, liegt vermutlich daran, dass sie die meiste Zeit mit Aktenstapeln in ihren Büros verbringen. „Ich lese die Akten wie einen Krimi“, sagt Lisa Jani, Staatsanwältin bei der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin. Internet-Betrügereien, häusliche Gewalt, die unerlaubte Verwendung eines Fotos auf Facebook, der illegale Transport defekter Kühlschränke nach Afrika – die Themen der Krimis, die Lisa in ihrer Laufbahn als Staatsanwältin schon lesen konnte, sind abwechslungsreich. Doch was die Akten wirklich spannend macht, ist die Wirklichkeit. Lisa liest nicht nur. Sie recherchiert, geht den Fällen auf den Grund, studiert Gesetze, macht sich ein Bild von den Tätern und Umständen. Sie telefoniert mit den Ermittlern der Polizei, lädt Zeugen vor. „Im Fall der Kühlschränke musste ich erst einmal herausfinden, gegen welches Gesetz da eigentlich verstoßen wurde. Es war das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das noch sehr jung ist. Es beschäftigt sich mit der umweltverträglichen Entsorgung von Abfällen. Das Foto auf Facebook wiederum war ein Verstoß gegen das Kunsturheberrechtsgesetz. Ein Model hatte geklagt.“
Und dann kommt das, was wir alle aus dem Fernsehen kennen: In der Gerichtsverhandlung verliest die Staatsanwältin die Anklage.
Ihr könnt euch vorstellen, dass man ziemlich gute Noten braucht, um in echten Krimis den Hut aufzuhaben beziehungsweise die samtbesetzte Robe zu tragen. Lisa hat nicht gewusst, ob sie es schafft. „Man muss es probieren“, sagt sie, und hat schon im Studium alle Weichen für ihren Traumberuf gestellt. Zum Beispiel, indem sie die passenden Stationen für die Praktika wählte. Sie arbeitete u. a. bei einer Strafverteidigerin, beim Landesamt für Verfassungsschutz, beim Bundespresseamt und beim Hanseatischen Oberlandesgericht. Es waren Erfahrungen, auf die sie heute noch stolz ist, aber: „Als Richterin bekommst du alles vorgekaut und musst dann das Urteil fällen. Staatsanwälte tragen das Material zusammen. Das ist es, was mich interessiert – und dass ich den Verlauf einer Verhandlung entscheidend mitgestalten kann. Ich kann einen Angeklagten auch entlasten, wenn ich merke, dass es jemand ist, der Hilfe braucht.“
Ein Plädoyer aus dem Stehgreif halten zu können, gehört zum Tagesgeschäft. Hier kam Lisa zugute, dass sie vor dem Jurastudium als Journalistin gearbeitet hat.
Zwei Staatsexamen legt ein Jurist ab, bevor er Volljurist ist. Viele flüchten nach dem ersten Staatsexamen ins Berufsleben. Ein Staatsanwalt muss selbstverständlich Volljurist sein, und zwar ein guter. „Mit Fleiß und Disziplin allein hätte ich das nicht geschafft, zumal ich während des Studiums schon Mutter war. Manchmal habe ich mit der einen Hand Lego gespielt, in der anderen hatte ich ein Lehrbuch. Mein Interesse hat mich gerettet.“
Letztendlich waren es aber nicht nur die guten Noten, die in Lisas Bewerbung beim Justizministerium überzeugten. „Man wird schon genau angeschaut. Für mich war sicher von Vorteil, dass ich ehrenamtlich als Vollzugshelferin gearbeitet habe. Ich habe einen Strafgefangenen betreut. Ich kannte diese Arbeit von meiner Mutter, die Streetworkerin war. Man sollte schon mal über den Tellerrand geschaut haben. Man sollte jemand sein, der das Leben kennt.“
Text & Fotos: Kathrin Schrader