Streetworker (m/w/d)
Dicht am Leben
Unterwegs mit Streetworkern
Der Ferdinandhof ist ein ganz normaler Innenhof mit Spielplatz zwischen Neubaublöcken an der Dresdner Prager Straße. Dienstag ist ein besonderer Tag im Ferdinandhof. Am Dienstag kommen Jörg und Hussein. Die Jungen lassen den Fußball im Sand ausrollen und stürzen auf die Männer zu, beginnen mit ihnen zu raufen und zu balgen. Das ist ihre Art, die beiden Streetworker herzlich willkommen zu heißen.
„Hier leben viele Arbeitslose und Familien mit Migrationshintergrund. Viele Kinder brauchen Zuwendung, weil ihre Eltern mit zahlreichen Problemen oft überlastet sind“, sagt Streetworker Jörg Lindner. Und schon geht es los. Einer der Jungen kickt den Ball in Jörgs Richtung, der gibt ab an Hussein. Hussein spielt in die Richtung des Kleinsten im Team. Über das Spiel lernen die Streetworker die Jugendlichen kennen, kommen mit ihnen ins Gespräch, erfahren, wo der Schuh drückt und können Beistand bieten. Manchmal hilft schon ein Gespräch mit den Eltern. Manchmal sind die Probleme erwachsen. „Der Junge zum Beispiel, der eine Playstation auf Raten gekauft hat. Er hat gedacht: ein Zwani im Monat, das schaffe ich doch locker. Und jetzt fehlt ihm das Geld“, erzählt Jörg.
Jörg hat ihn zur Berufsberatung begleitet. Auch wenn die Chancen auf einen Ausbildungsplatz schlecht stehen, findet sich vielleicht die Möglichkeit, die Zeit bis zu einer Ausbildung sinnvoll mit einem Job zu überbrücken.
Streetwork heißt, das Leben anfassen können. „Oft erfährt man sehr persönliche Dinge, die einen selbst betroffen machen“, erzählt Michaela von Citystreetwork Dresden, eine Kollegin von Jörg und Hussein. „Es gehört zu unserem Arbeitsalltag, solche Sachen zu erfahren. Doch wir spüren dann, dass wir ihr Vertrauen besitzen. Und Vertrauen ist die Voraussetzung, um Hilfe anzunehmen.“ Wenn der 32-jährige Jörg Lindner in seiner lässigen, schwarzen Lederjacke auf eine jugendliche Clique zugeht und sich in ihre Gespräche einklinkt, sind die Reaktionen vorwiegend positiv. Er strahlt Offenheit aus, bleibt gelassen, weiß, was viele von ihnen bewegt und spricht ihre Sprache. „Wenn ich mit jemandem ins Gespräch gekommen bin, verabrede ich mich oft für den nächsten oder übernächsten Tag“, sagt Jörg.
Jörg Lindner machte nach der Schule zunächst eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker. Erst während des Zivildienstes in einem Altersheim entdeckte er seine Ambitionen für die Sozialarbeit. Er studierte Sozialpädagogik/ Sozialarbeit, baute nach dem Studium einen interkulturellen Treffpunkt in Berlin mit auf und bewarb sich anschließend in seiner Heimatstadt Dresden im multikulturellen Team von Citystreetwork, einer Einrichtung des Jugendamtes Dresden.
„An manchen Tagen passiert gar nicht viel“, erzählt er. „Doch es ist wichtig, präsent zu sein, vor Ort, sichtbar, bekannt, zu denselben Zeiten am selben Ort, als verlässliche Größe im Straßenbild, leicht zu erreichen für Hilfesuchende.“ Die Eckpunkte im Stadtplan eines Streetworkers sind die Orte im toten Winkel der Großstadt, Verstecke, Cliquen-Treffs, Absteigen. Die baufällige Baracke auf einer Halde in Johannstadt zum Beispiel. Mindestens einmal in der Woche gehen die Citystreetworker hier auf Spurensuche. Zwischendurch gibt es Tage im Büro, denn für eine erfolgreiche Sozialarbeit auf der Straße ist es wichtig, mit anderen Hilfsprojekten, wie zum Beispiel der Treberhilfe Dresden e.V., vernetzt zu sein. Außerdem muss ein Streetworker die Angebote vor Ort kennen: Schuldner- und Drogenberatung, die Stadtmission, die Berufsberatung für Jugendliche und viele andere. Doch dann geht es wieder raus: Bei Wind und Wetter. Tag und, ja, auch in der Nacht. Manchmal geht ein Arbeitstag bis 22:00 Uhr. Ganz klar, denn viele Probleme tauchen erst am Abend aus dem Dunkel ins Laternenlicht.
Text & Foto: Kathrin Schrader