Technischer Assistent für chemische und biologische Laboratorien (m/w/d)
Wenn die Chemie stimmt …
Anmerkung der Redaktion: Das Berufsbild teilt sich neu in Biologisch-Technischer Assistent (m/w/d) und Chemisch-Technischer Assistent (m/w/d).
Fast jeder kennt das: Nach dem ersten Tag an einer neuen Schule, im Praktikum oder einem Ferienjob fühlt man sich schrecklich daneben, sitzt allein in seinem Zimmer und grübelt, ob man überhaupt wieder hingeht oder gleich die Tasche packt und abhaut.
Bei Kristin Richter (17) war es umgekehrt. „Es war traumatisch für mich, als das Praktikum zu Ende ging. Ich wollte da unbedingt wieder hin.“ Gleich am ersten Tag hatte sie sich im Chemie-Labor der Landesuntersuchungsanstalt Dresden wie zu Hause gefühlt.
Kristin ist ungeschminkt. Sie trägt einen roten Pullover und Jeans. Nur ihre kakaobraunen Augen huschen hin und her, flackern und sprühen, wenn sie von der Labor-Arbeit erzählt, von dem Vertrauen, das man in sie setzte, indem man ihr eine selbstständige Aufgabe übertrug. Sie hat die unterschiedlichsten Lebensmittel untersucht, zum Beispiel Wein, Getreide und Obst auf Bromide (Düngemittelrückstände). Zum Glück gibt es bald ein zweites Praktikum in der Landesuntersuchungsanstalt Dresden und Kristin hat schon eine Zusage.
Übrigens ist eine Landesuntersuchungsanstalt, wie es sie überall in Deutschland gibt, eine gute Sache. Es werden dort medizinische und chemische Kontrollen zum Schutz von Menschen und Tieren durchgeführt.
Das Praktikum war es, das Kristins Begeisterung für die Chemie, die während ihrer gesamten Schulzeit ungebrochen anhielt, auf die Lebensmittelchemie kanalisierte. Seitdem weiß sie, dass sie nach der zweijährigen Ausbildung zur Technischen Assistentin für chemische und biologische Laboratorien die allgemeine Fachhochschulreife am Berufsschulzentrum für Ernährung in Dresden absolvieren möchte. Zwar könnte Kristin die Fachhochschulreife auch in einem dritten Ausbildungsjahr am Beruflichen Schulzentrum Dippoldiswalde erlangen, doch da sie sich nun einmal für die Lebensmittelchemie entschieden hat, wählte sie diese Spezialschule. Anschließend möchte sie mit dem Ingenieurstudium beginnen.
Kristin ist siebzehn Jahre alt. Am Beruflichen Schulzentrum Dippoldiswalde bewarb sie sich mit dem Zeugnis der Realschule. Weil sie in Schmiedeberg im nahen Osterzgebirge wohnt, lebt sie noch bei ihren Eltern und kommt jeden Morgen mit dem Bus zur Schule.
Wahrscheinlich weiß sie es selbst noch gar nicht, doch Kristin besitzt schon jetzt eine ungemeine Souveränität im Gespräch. Auf der Basis von Wissen und Überzeugungen baut sie immer neu auf, stellt als Forscherin alles, auch sich selbst, immer wieder in Frage.
Nancy Blüthgen (20) geht mit Kristin in eine Klasse. Beide sind im zweiten Ausbildungsjahr. Nancy entschied sich nach dem Abitur mit Leistungskurs Bio für den Beruf der Technischen Assistentin für chemische und biologische Laboratorien.
Ihre ersten praktischen Erfahrungen sammelte Nancy im Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik Dresden. Zunächst erwartete sie das übliche Praktikanten-Programm. „Abwaschen, sauber machen, ein bisschen gucken, was die anderen so tun…“ Doch es kam anders. „Vom ersten Tag an hatte ich eine eigene Aufgabe. Mir wurde alles gezeigt und gesagt: Probier’ es selbstständig und wenn du Fragen hast, stelle sie uns. Ich war auch in die wöchentlichen Labor-Meetings voll einbezogen.“ Zu Nancys Aufgaben gehörte die Manipulation von Bakterien-DNA. Da fallen manch einem sofort Szenen aus Horror-Science-Fictions ein, doch davon hält Nancy gar nichts. „Die DNA dieser Bakterien ist der menschlichen sehr ähnlich“, erklärt sie. „Das Ziel dieser Forschung ist, menschliche Gen-Defekte in den Griff zu bekommen.“
An der Schule in Dippoldiswalde hat Nancy die Chemie entdeckt, die während des Abiturs zunächst im Nebenfach abgelegt war. Wie kam es zu diesem Wandel? Nancy lacht. „Naja, Bio ist eben doch ein Lernfach“, gibt sie zu und es fällt ihr nicht leicht, so einen pragmatischen Grund ins Feld zu führen, denn Nancy ist ehrgeizig. Wenn sie sagt, dass sich der Lernaufwand an der Berufsfachschule in Grenzen hält, aber Regelmäßigkeit wichtig ist, dann sollten weniger lernbegeisterte Naturen lieber noch nicht erleichtert aufatmen.
Die Schule dauert von 7.30 bis 14 oder 15 Uhr. Danach ist jedoch noch nicht Schluss. Häufig sind Protokolle der Experimente in den chemischen und biologischen Labors der Schule auszuwerten, und natürlich müssen sich die Schüler auf den Unterricht vorbereiten. Auf die Neuen, die im Herbst mit der Ausbildung beginnen, warten in Dippoldiswalde zwei neue Fächer: Molekularbiologie und Biotechnologie.
Wie hält man sich bei so einem Programm fit? „Weil das Lernen Spaß macht, ist man fit. Man kann viel Wissen mit in den Alltag nehmen, zum Beispiel über die Lebensmittel“, sagt Kristin. Zur Entspannung musiziert sie in ihrer Freizeit. Sie spielt Akkordeon und Trompete.
Nancy möchte nach 14 Jahren Schulbank erst mal zwei oder drei Jahre arbeiten und Geld verdienen, bevor sie das Ingenieurstudium beginnt. Sie hat sich in einem Labor in der Schweiz beworben. „Die Schweiz hat eine schöne Landschaft und außerdem verdient man dort gut“, erklärt Nancy. Falls es mit dem Job nichts werden sollte, bewirbt sie sich für das Ingenieurstudium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden. Und wie verbringt Nancy ihre Freizeit? Falls jemand aus der WG an ihre Tür klopft und fragt, ob sie Lust auf eine Spritztour nach Dresden oder ins Gebirge hat, trifft er Nancy vielleicht bei der Auswertung eines Protokolls oder beim Lernen an. Und falls sie gerade nicht lernt, liest sie ein Buch. Und was liest Nancy im Moment? Parfum, Portwein, PVC… „Chemie im Alltag“ von John Emsley.
Text & Foto: Kathrin Schrader