Textildesigner (m/w/d)
Augenschmaus
Als Textildesignerin entwirft Karolin Sobe heute schon die Muster, die morgen unsere Gebrauchstextilien zieren
Wer Textilien hört und nur seinen Kleiderschrank im Kopf hat, ist vielleicht ein Fashion Victim – denkt aber auf jeden Fall viel zu kurz. Denn Stoffe bedecken nicht nur unseren Körper! Sie umhüllen Kopfkissen und Bettdecken ebenso wie Autositze, liegen auf Tischen, hängen vor Fenstern, spannen sich über die Couch oder spenden Schatten auf der Terrasse. Oft sind sie mit Mustern, Figuren, Ornamenten verziert – schrill und bunt oder einfarbig und gedeckt, zum Wimmelbild vereint oder dezent platziert. Das ist die Welt von Textildesignern wie Karolin Sobe. Sie und ihre Kollegen sorgen dafür, dass den Augen niemals langweilig wird.
„Ich wollte schon immer etwas Kreatives machen“, gesteht die junge Designerin. „Nach dem Fachabi habe ich erstmal eine Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin absolviert. Als ich mich dann nach einem Studium umgeschaut habe, bin ich auf das Textildesign gestoßen und wusste sofort – das will ich probieren.“ Studiert hat sie an der Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg, die zur Westsächsischen Hochschule gehört. Dort wird der Bachelor-Studiengang Gestaltung angeboten, in dem sich die Studierenden auf Modedesign, Holzgestaltung oder eben Textilkunst und Textilgestaltung spezialisieren.
Freies Arbeiten rund um die Uhr
Dass ein Designstudium etwas Besonderes ist, merkt man schon bei der Bewerbung. Mathe Deutsch, Physik oder Bio – während in anderen Studiengängen oder Ausbildungsberufen die Noten stimmen müssen, sind sie hier eher zweitrangig. „Kreativität und zeichnerisches Talent“, sagt Karolin, „sind die wichtigsten Voraussetzungen.“ Beides müssen die Bewerber unter Beweis stellen: Zwei Tage lang werden sie auf ihre Eignung hin geprüft. Dann folgen Bewerbungsgespräch und Mappenschau. Wer hier sein besonderes künstlerisches Talent offenbart, bei dem sieht die Hochschule in Ausnahmefällen sogar über ein fehlendes Abi hinweg. Denn normalerweise sind Fachhochschul- oder Hochschulreife für die Zulassung zum Studium Pflicht. Ungewöhnlich ist aber nicht nur der Aufnahmeprozess, sondern auch das Studium selbst. „Es gibt zwar einige Vorlesungen im herkömmlichen Sinne – beispielsweise in Kunstgeschichte, Farblehre, Wirtschaftsenglisch oder im Naturstudium“, erzählt Karolin, „den größten Teil nimmt jedoch das freie Arbeiten ein.“ Oberflächen von Aluminiumschäumen künstlerisch gestalten, auf Wohnräume abgestimmte Plissees entwerfen oder mit Demenzpatienten einen Pfad der Sinne betreten: Die Aufgaben, die den Studierenden am Anfang des Semesters gestellt werden, sind ebenso vielfältig wie fordernd. Dann ist die Kreativität gefragt. Die zukünftigen Designerinnen und Designer entwerfen, experimentieren, stellen Materialstudien an, zeichnen – je nach dem, was die einzelne Aufgabe von ihnen verlangt. Natürlich steht dabei niemand allein auf weiter Flur. Das kann Karolin nicht nur aus ihrem Studium bestätigen. Denn mittlerweile unterrichtet sie auch an ihrer alten Hochschule. „Im Stundenplan stehen regelmäßige Konsultationen. Dort besprechen wir die Ansätze, Arbeiten und Ideen“, erzählt sie. „Ansonsten sind die Studenten aber frei in ihrer Zeiteinteilung. Wer gern nachts arbeitet, hat auch dann Zugang zu seinem Arbeitsplatz.“
Sind die Entwürfe fertiggestellt, müssen sie umgesetzt werden. Dafür steht ihnen die komplette technische Ausstattung der Hochschule zur Verfügung. Während der eine vielleicht am Webstuhl einen Schal webt, steht die andere an der Stickmaschine oder druckt im Digitaldruck Meterware. „Jeder Student bekommt in jede Technik eine Einführung. Außerdem haben wir Mitarbeiter, die mit den verschiedenen Techniken sehr vertraut sind und unterstützend zur Seite stehen.
Ein Gefühl für die Trends von morgen
Und nach dem Studium? Wo kann man als frischgebackener Textildesigner sein Talent unter Beweis stellen? „Nicht nur viele Modefirmen beschäftigen heute eigene Textildesigner“, weiß Karolin. „Auch Hersteller von Heimtextilien und sogar Druckereien kommen als Arbeitgeber in Frage.“ Oder man wagt den Schritt in die Selbstständigkeit und gründet sein eigenes Designstudio. Wie Karolin. Mit Caleya Design hat sie sich im Jahr 2015 ihren Traum erfüllt. „Ich arbeite sehr trendbezogen“, lässt sich die junge Designerin in die Karten schauen. „Deshalb steht am Anfang immer eine Trendrecherche. Dabei orientiere ich mich sehr oft an den großen Modefirmen und an dem, was auf den Laufstegen zu sehen ist.“ Denn an den Farben und Mustern, die heute dort gezeigt werden, kommt in ein, zwei Jahren kaum jemand vorbei. Die Shows besucht Karolin dafür nicht. Die sind oft sehr exklusiv. Stattdessen blättert sie sich durch Berge aktueller Modemagazine. „Das ist natürlich sehr zeitintensiv. Aber wenn man sich immer mit diesem Thema beschäftigt, entwickelt man ein Gefühl dafür. Und mit meinem Gefühl lag ich bisher immer ziemlich richtig.“ Zusätzliche Inspiration holt sie sich in der Natur. An einem Blumenladen kommt sie kaum vorbei, ohne beim Anblick von Blumen und Pflanzen, Blüten und Blättern neue Muster im Kopf zu kreieren. Mit Tusche hält sie diese später fest. Dann werden sie von Hand coloriert und anschließend eingescannt. Die fertigen Designs fasst sie zu Kollektionen zusammen – verschiedene Muster, die ein gemeinsames Bild ergeben. Und die gehen dann in die weite Welt. „Ich arbeite international“, erzählt Karolin. „Ich verkaufe zwar auch in Deutschland, aber viele meiner Designs sind nach Spanien gegangen. Und ich habe nach New York verkauft. Und nach London.“ Dass sie mit dem Textildesign nicht nur einen Beruf gewählt, sondern ihre Berufung gefunden hat, da ist sie sich heute sicher.
Text: Kai Dürfeld / Fotos: Antje Kraemer Photography