Theaterwissenschaftler (m/w/d), Studium
Die Welt als Bühne
Ein Studium der Theaterwissenschaften eröffnet zahlreiche Wege in Forschung und Kunst
Schon in der Schule hat Marius Legowski eigene Theaterstücke inszeniert, den „Frankenstein“ zum Beispiel. Der berühmte Roman von Mary Shelley wurde nämlich nicht nur verfilmt, sondern auch für die Bühne bearbeitet. Marius bewies Experimentierfreudigkeit und Kreativität, indem er das Stück ohne Sprache inszenierte. „Ich hatte eine tolle Deutschlehrerin“, erzählt der 23-Jährige. „Sie hat mir mit den Theaterstücken völlig freie Hand gelassen.“
Fortan stand sein Berufsziel fest: Theaterregisseur. Bereits als Schüler bewarb er sich für eine Regie-Hospitanz am Stadttheater seiner Heimatstadt Bremen und lernte so die Arbeit auf und hinter der Bühne kennen. Weil es dann aber mit dem Regie-Studium nicht klappte – es gibt deutschlandweit nur vierzehn Studienplätze – wich Marius auf die Theaterwissenschaften aus. Er war inzwischen nach Berlin gezogen und begann sein Studium an der Freien Universität. „In den ersten Wochen saß ich in den Vorlesungen und fragte mich: Wo bleibt meine Kunst?“ Heute erzählt Marius das lachend, denn er hat sich die gute Laune nicht nehmen lassen, nur, weil seine Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden. Er sitzt in seinem Lieblingscafé in Berlin-Neukölln. Es ist ein sonniger Tag kurz vor den Semesterferien. Doch vor ihm liegt keine freie Zeit, denn er wird in den nächsten Monaten drei Hausarbeiten schreiben, über die Emotionalität bei Lessing zum Beispiel. Theaterwissenschaften haben aber nicht nur das Geschehen auf der Bühne eines Theaterhauses und Theaterstücke zum Thema, sondern umfassen die theoretische Betrachtung aller Medien und aller Phänomene unseres Alltags und der Kunst, die sich um Inszenierungen im weitesten Sinn drehen. Denn auch die Inszenierungen von Politikern und Verkäufern folgen einer Regie und einem Storytelling, ebenso wie unser Auftritt bei Bewerbungen. Die ersten Theatervorstellungen entstanden aus Ritualen, die sehr eng in den Alltag der Menschen integriert waren, deren Lebensrhythmus sich in erster Linie nach dem Kreislauf der Natur richtete. Dies alles, natürlich hochphilosophisch betrachtet, ist Gegenstand der Theaterwissenschaft. Die ganze Welt also. Und unsere kulturelle DNA. Deshalb haben Theaterwissenschaftler so viele Möglichkeiten, ihre Karriere zu gestalten. Nicht wenige arbeiten als Dramaturgen oder Regisseure. Sie werden Intendanten. Theaterwissenschaftler arbeiten aber auch im Kultur- und Kunstmanagement, in Verlagen, Verwaltungen, Museen, Bibliotheken oder Zeitschriftenredaktionen.
Drei Module umfasst der Bachelor an der FUBerlin: Gegenwartstheater, Theaterhistorie sowie Theorie und Ästhetik.
Ganz so trocken gebärdet sich die Theorie dann aber doch nicht. Marius erzählt von einem Praxis-Seminar, während dem er mit Kommilitonen die „Theatralität magmatischer Natur“ untersuchte. Sie reisten dafür zur berühmten Vulkaninsel Stromboli nach Italien. Die Auseinandersetzung mit der Theatralität magmatischer Natur gipfelte in einer Performance, in der Marius den feuerspuckenden Vulkan mit Rote-Beete-Saft performte.
Natürlich geht er viel ins Theater, gern auch in schlechte Stücke. „Die sind eigentlich interessanter, weil ich dann darüber nachdenken muss, wieso sie nicht funktionierten.“ Gerade kann er sich eine wissenschaftliche Laufbahn an der Universität gut vorstellen, denn er hat jetzt einen sogenannten HiWi-Job bei einer Professorin. HiWi ist die Abkürzung für Hilfs-Wissenschaftler und quasi der erste Schritt, den Studierende gehen sollten, wenn sie eine Karriere in der Wissenschaft planen. Aber den Traum von der Theaterregie hat Marius auch noch nicht aufgegeben. Aufgeschlossen und zuversichtlich, wie er sein Berufsleben bisher angegangen ist, bleibt kein Zweifel, dass er eine gute Entscheidung für sich treffen wird.
Text & Foto: Kathrin Schrader