Tierpfleger (m/w/d)
Echt affiger Alltag
Stefan Leideritz und sein tierischer Job im Pongoland
„Eines muss ich Ihnen gleich vorweg sagen: Machen Sie bloß keine Werbung für den Beruf des Tierpflegers“, schmunzelt Peter Müller, Leiter des Leipziger Zoos, als ich ihn nach einem Mitarbeiter frage, den ich in diesem Artikel vorstellen kann. Diese Abwehr hat ihren Grund. Auf fünf Lehrstellen kommen rund zweihundert Bewerber. Trotzdem vermittelt er mich gern zu Stefan Leideritz, einem ehemaligen Biologiestudenten, der seit einem Jahr ausgelernt hat. Seitdem arbeitet der 28-Jährige im Pongoland, dem neuen Menschenaffenhaus im Zoo Leipzig.
Unschlagbar im Hütchenspiel
Einen knappen Kilometer geht Stefan jeden Morgen, vorbei an Robben, Schildkröten, Pinguinen und Flamingos bis zum Pongoland. „Guten Morgen“, ruft er dem Orang-Utan Bimbo zu – aus einer Entfernung von etwa zwei Metern, denn näher darf der Tierpfleger nicht an die Affen heran. „Das ist den Forschern vom Max-Planck-Institut vorbehalten“, sagt er. Weil die Tiere möglichst naturnah leben sollen, ist der direkte Kontakt zu Menschen verboten. Ich bin etwas enttäuscht, hatte ich mir doch erhofft, in die unmittelbare Nähe von Schimpanse & Co. zu kommen.
Stefan führt mich durch die hintere Abteilung des Hauses, die Besucher normalerweise nicht zu Gesicht bekommen. Auf einer dunkelgrünen Tür steht „Testraum Affen“. Verwundert frage ich nach. „Das Pongoland und einige Affen gehören dem Institut“, erklärt Stefan. Und die Forscher führen Verhaltenstests mit den Tieren durch. „Das hat nichts mit Tierversuchen zu tun“, verspricht er. Vielmehr spielen die Experten mit den Affen, z.B. Hütchenspiele. Man nehme drei Becher, und stecke unter einen eine Banane. Nach wildem Hin- und Herrutschen der Hütchen wissen die Tiere trotzdem, wo die Frucht liegt. „Das spielen sie am liebsten, da sind sie unschlagbar.“
Lieber Obst als Gemüse
Der Tag des Zootierpflegers beginnt mit einem kurzen Rundgang. „Ich sehe nach, ob es allen Affen gut geht, ob sie sich vielleicht verletzt haben“, so Stefan. Danach füttert er die erste kleine Mahlzeit: Äpfel. Im Anschluss geht’s ans Saubermachen. „Da wir die Tiere erst abends in die Schlafgehege lassen, bleibt dafür am Vortag keine Zeit mehr“, erklärt er. Mittags gibt´s für die Fellträger die Hauptmahlzeit: Gemüse und Obst. „Das Gemüse füttern wir zuerst, weil sie das eigentlich nicht so mögen“, erklärt der Tierpfleger. Chinakohl, Rote Beete, Tomate, Gurke, Paprika und was die Futterküche sonst noch hergibt. Die Affen fressen es, aber mit wenig Begeisterung. Anders sieht es aus, wenn Stefan Bananen, Pfirsiche, Birnen oder Apfelsinen bringt.
Notruf per Funk
„Stefan – kommst du mal runter, ein Schimpanse sitzt fast im Wassergraben“, tönt es aus dem Funkgerät, das zur Ausrüstung des Tierpflegers gehört. „Ein Notfall?“, frage ich. „Nicht wirklich“, meint Stefan. Es passiert schon mal, dass sich die Affen weit an den Wassergraben rund ums Pongoland herantrauen. „Spätestens am Elektrozaun scheitern sie und wetzen schnell zurück ins Innere des weitläufigen Geländes.“ So auch dieses Mal: Ein junger Schimpanse sitzt fast im Wasser und spielt mit einigen Bambuszweigen. „Falscher Alarm“, stellt Stefan fest. „Wenn er dort ist, passiert ihm nichts.“ Mittlerweile ist es Nachmittag, Zeit für einen kleinen Imbiss. „Jetzt gehen wir aufs Dach – füttern“, sagt Stefan. Vorher holt er einige gepresste Nuggets aus der Futterküche. „Das ist pflanzliche Trockennahrung“, erklärt er mir und schließt eine der vielen Eisentür auf. Die Atmosphäre erinnert an schlecht gemachte Knastfilme. „Es kann ja doch mal passieren, dass jemand vergisst, die Gehegetüren zu schließen. Dann ist es besser, wenn die Affen noch durch weitere Türen gehindert werden“, erklärt Stefan. Auf dem Dach klappert der Tierpfleger mit den Nuggets in der Schüssel. Sofort eilen einige Gibbons und Orang-Utans herbei.
Falls es Stefan jedoch eines Tages nicht mehr gefallen sollte bei der Affenbande, kann er in jeden anderen Bereich des Zoos wechseln. Denn in seinen drei Jahren Ausbildung hat er alle Bewohner und Abteilungen hier kennen gelernt – von Ara bis Zebra und von Einkauf bis Verwaltung.
Text & Fotos: Daniel Große