Vermessungstechniker (m/w/d)
Den eigenen Weg vermessen
Vermessungstechniker arbeiten drinnen und draußen und überall, wo sich was verändert
Tugba entdeckte ihren Traum-Beruf während eines Schüler-Praktikums. „Wo wir auch arbeiteten, auf der Baustelle im Dreck, das war egal, Hauptsache draußen“, erzählt sie begeistert. Der Mathelehrer hatte ihr den Tipp mit dem Vermessungsbüro gegeben, denn in Mathe war Tugba stark und auch sonst ein helles Köpfchen. Schnelles Rechnen, präzises Messen und ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen als Grundvoraussetzungen für den Beruf brachte sie mit ins Gelände.
Heute, ein Jahr nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Vermessungstechnikerin, Fachrichtung (FR) Vermessung, arbeitet die 21-jährige Tugba Besirli in einem Büro in einem alten Berliner Bezirks-Rathaus. Das imposante Gebäude mit dem wuchtigen Treppenaufgang, von dem schmale Gänge mit dutzenden kleinen Türen abzweigen, scheint voller Amtsschimmel zu stecken. Doch Tugba tritt in ihrem modernen Büro wie ins Freie. Die Außenwand und das Dach sind verglast. Sie teilt diesen Raum mit anderen Vermessungstechnikern, Vermessungsingenieuren und Kartografen. Auch wenn es nicht mehr raus auf schlammige Baustellen geht, bereut sie nicht, sich für diesen Beruf entschieden zu haben.
Auf Tugbas Monitor ist eine Karte des Stadtbezirks zu sehen, auf der alle Gebäude mit ihren baulichen Merkmalen verzeichnet sind. Tugbas Aufgabe ist es, diese Karte zu aktualisieren. Da ist zum Beispiel ein Wohnhaus, das neue Balkone bekommen hat. Auf ein anderes wurde ein Dachgeschoss aufgesetzt. Ein Straßenverlauf hat sich durch den Bau einer neuen U-Bahn-Station verändert. Die Informationen bekommt Tugba von den Außendienstlern.
Vermessungstechniker sind immer dann gefragt, wenn Veränderungen anstehen wie der Bau eines neuen Hauses oder einer neuen Straße. Manchmal möchten Grundstücksbesitzer auch einfach überprüfen, ob ihre Begrenzungen noch stimmen, vor einem Verkauf zum Beispiel. Oder es geht darum, Landkarten zu überprüfen, denn auch Wälder, Gebirge und Ufer sind in Bewegung.
Die meisten von Tugbas ehemaligen Mitschülern aus der Berufsschule arbeiten bei privaten Vermessungsfirmen, den sogenannten ÖBVI. Die Abkürzung steht für Öffentlich Bestellter Vermessungs-Ingenieur. Wie der Name sagt, sind es Vermessungs-Ingenieure, die diese Büros leiten. In diesen Büros gehört sowohl der Außen- als auch der Innendienst zu den Aufgaben der Vermessungstechniker. Tugba spricht begeistert über die Ausbildung draußen mit Tachimeter und Prismaspiegel und Lasermessern, die eine supergenaue Erfassung der Koordinaten ermöglichen. Draußen zu sein, das fehlt ihr schon ein bisschen. Andererseits ist die gut bezahlte, unbefristete Stelle im Amt mit pünktlichem Feierabend auch etwas Wert. Aber sie möchte weiter lernen. Studieren. Sie hat ihre Ausbildung mit Fachabitur gemacht, nachdem sie lange gegrübelt hatte, ob sie dem Rat des Mathelehrers zu einer Ausbildung folgen oder lieber für das Abitur weiter zur Schule gehen sollte. Ihre Eltern hatten ihr für jede Entscheidung Unterstützung zugesagt. Heute sagt sie: „Mit einer Ausbildung machst du nie etwas falsch.“ Und dem Mathelehrer, zu dem die ehemalige Schulsprecherin noch immer ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, ist sie „tausendfach dankbar“. Studieren könnte sie auch neben ihrer Arbeit im Rathaus. Das Fach-Abi schränkt die Wahl der Studienfächer zwar ein, öffnet aber immer noch genügend Karrierewege, zwischen denen zu entscheiden Tugba nicht leichtfällt. Sie könnte ganz klassisch ein Ingenieurstudium anschließen und dann ein eigenes Büro eröffnen. Aber es reizt sie auch, ein bisschen vom Hauptweg abzuschweifen, als Geografin oder Kartografin vielleicht. Sie könnte durchaus einen Bachelor in Geoinformatik absolvieren oder sich intensiver mit Liegenschaftsverwaltung befassen.
Sie hat noch nichts entschieden. Mit der Vermessung ihrer eigenen Wege lässt sie sich eben Zeit.
Text & Foto: Kathrin Schrader; Hintergrundfoto: yuttana Contributor Studio (shutterstock.com)