Zweiradmechatroniker (m/w/d)
Krücke oder Kultobjekt
Zweiradmechatroniker (m/w/d) brauchen ein sensibles Händchen
Anmerkung der Redaktion: Die Ausbildung im Beruf Zweiradmechaniker wurde 2014 modernisiert außerdem wurde die Abschluss- bzw. Berufsbezeichnung geändert in Zweiradmechatroniker (m/w/d).
In Olivers Werkstatt treffen sich die verschiedensten Typen: Renn- und Crossräder, Mountainbikes, BMXer, gepflegte und klapprige Stadtgefährten. Er behandelt sie alle gleich, ungeachtet seiner Sympathien.
Am Morgen sortiert er zuerst die Reparaturaufträge, pro Tag sind es etwa zwanzig. Zwischendurch muss er immer mal wieder vor in den Laden, in der Beratung aushelfen. Oli hier, Oli da. Zwischen Werkstatt und Laden flitzt er hin und her, auch mal raus auf den Bürgersteig. Da braucht einer Hilfe für seine Gangschaltung. Schnell hat Oliver das kaputte Gewinde einer Schraube diagnostiziert, sie ausgewechselt und die Gangschaltung neu eingestellt. Solche kleinen Dienstleistungen erledigt er gratis. „Kleine Gefälligkeiten binden die Kunden an den Laden“, erklärt er. Dann wieder rein in die Werkstatt. Sein Chef schiebt zwei große, schmale Kartons vor sich her, neue Modelle, die zusammengeschraubt werden müssen. Der Praktikant kommt, hat eine Frage. Eine Frage, die wieder neue Fragen auslöst. Oliver begleitet den Praktikanten nach vorn, spricht mit dem Kunden. Das feuerrote Mountainbike in der Haltevorrichtung der Werkstatt muss warten. „Du musst für diesen Beruf multitaskingfähig sein“, sagt Oliver. Im Sommer herrscht zudem Hochsaison im Fahrradgeschäft. Sommerurlaub fällt für den Monteur aus.
Er beginnt, zu schrauben. Das rote Mountainbike braucht eine neue Gabel. Gabeln sind Olivers Spezialität. Am liebsten würde er eine eigene Werkstatt aufmachen, einen Gabel-Service. „Ich würde mich zwischen Händler und Hersteller hängen. Die Läden hätten ihre Reparaturen viel schneller zurück. Wenn sie sich an den Hersteller wenden, dauert das manchmal bis zu drei Wochen.“ Ist das nicht langweilig, den ganzen Tag nur Gabeln zu reparieren? Oliver wiegt den Kopf. Klar ist seine Arbeit hier abwechslungsreich. „Ich habe mir im Laufe der Jahre ein umfangreiches Wissen über Gabeln angeeignet. Das ist jetzt mein Vorteil auf dem Markt. Daraus möchte ich was machen“, erklärt er. „Gabeln sind interessant. Es gibt so viele Modelle. Langweilen würde ich mich bestimmt nicht.“
Oliver Sasse ist neununddreißig Jahre alt. Er hat als Rahmenbauer gearbeitet und eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann. Vor einigen Jahren schloss er eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker an. „Ein guter Mechaniker muss sich mit Produktschulungen auf dem Laufenden halten“, sagt er. „Technik und Zubehör verändern sich ständig.“ Auf der „Euro-Bike“ im September, der Messe, auf der die Händler die Modelle für die nächste Saison ordern, tauchen immer neue Finessen auf. Weil die Fahrradwelt sich in den letzten Jahren so rasant entwickelt und ein immer umfangreicheres Wissen für die Beratung notwendig wird, Fahrräder außerdem mehr und mehr zu persönlichen Kultobjekten und mit dem entsprechenden Zubehör ausgestattet werden, gibt es seit 2005 zusätzlich den Ausbildungsberuf Fahrradmonteur.
Egal, ob Fahrradmonteur oder Zweiradmechaniker, ein sensibles Händchen für ihre Kunden brauchen beide. Nicht wenige vertrauen ihnen schlicht ihr Lieblingsteil an. „Einige haben das Rad neben oder im Bett und sind nur damit unterwegs, um zu posen“, sagt Oliver. Aber auch das andere Extrem erfordert Behutsamkeit. „Und dann gibt es die, die sich so wenig um ihr Fahrrad kümmern, dass sie sich täglich in Lebensgefahr begeben, wenn sie aufsteigen. Das muss man ihnen dann schonend erklären. Einen TÜV für Fahrräder gibt es ja nicht.“
Und welcher Fahrradtyp ist Oliver? „Ich komme aus der BMXer-Szene“, sagt er. Heute ist er nur noch selten auf der Halfpipe anzutreffen. Vielleicht in ein paar Jahren wieder, wenn sein Sohn das richtige Alter hat. Vorerst bleibt er bei einem gediegenen, gut gefederten Mountainbike.
Text: Kathrin Schrader; Foto 1: Kathrin Schrader; Foto 2: Reinhold Föger (fotolia.com)