Erfolgreichen Stadtplanern liegt es, das Kreative mit dem Rationalen zu verbinden
„Stadtplanung braucht einen Blick für die Zukunft. Man muss sehr weit vorausschauen, weil alles, was man jetzt gestaltet in ca. 10 Jahren real sein und dann jahrzehntelang genutzt werden wird. Ich finde es faszinierend, dass ich mich täglich mit Städtebau, der Frage, wie wir künftig leben wollen, auseinandersetzen kann. Der Stadt der Zukunft eine Form zu geben, ist unheimlich erfüllend“, erklärt Prof. Manuel Bäumler, Architekt und Stadtplaner sowie Lehrstuhlinhaber der Professur für Grundlagen des Städtebaus bzw. des Städtebaulichen Entwerfens an der TU Dresden und Betreiber des Büros Schellenberg + Bäumler Architekten GmbH in Dresden und fügt an: „Aufgaben angehen, Lösungen finden, offen denken und nach umsetzbaren Ideen suchen. Immer mit dem Blick nach vorn, auf der Höhe der Zeit und am besten sogar dieser ein bisschen voraus. Diese Synthese aus Vision und Realisierung anzupacken, fasziniert mich an meinem Beruf. Eigentlich ist es für mich eine Berufung.“

Stadtplaner Prof. Manuel Bäumler befasst sich mit der nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung von Städten und Gemeinden, er gibt Räumen Dimension und Form
Seit der 4. Klasse hatte er den Wunsch, Architekt zu werden. Obwohl sich der Wunsch kurzzeitig verflüchtigte, wählte er nach dem Abitur tatsächlich den Studiengang Architektur, weil ihn der Hochbau und das Planen von Häusern interessierte. „Irgendwann hat sich mein Interesse hin zur Stadtplanung verschoben. Ich wollte nicht nur für die Gegenwart, sondern in größeren Dimensionen für die Zukunft planen.“ Mobilität, Energie, Klima, die weitere Differenzierung der Gesellschaft. All diese Aspekte wollte er in sein Denken mit einbeziehen. „Denn wenn man sich mit Stadt beschäftigt, beschäftigt man sich mit Zukunft. Das ist einfach nur spannend!“
Der Wahl-Dresdner realisierte bisher deutschlandweit viele Projekte. Start war in Hamburg, eine Stadterweiterung: Auf einer Fläche von ca. 200 Fußballfeldern sollte ein Stadtteil für 7.000 Einwohner entstehen, mit allem, was dazugehört: Nahversorgungszentrum, Wohngebiete, Bereiche für Arbeit und Einkauf, Freizeit, Sport, Kultur, Park, mit Wasserflächen und einem Verkehrsknotenpunkt. „Das war ein Mega-Einstieg. Eher ungewöhnlich, das muss ich zugeben“, zeigt er sich noch heute überrascht. Weiter ging es in Schleswig-Holstein: ein großes Wohnquartier mit Nahversorgung, sprich Schule, Kindergarten, Einkaufszentrum … Auch dörfliche Regionen sind ihm vertraut und liegen ihm am Herzen, also kleinere Projekte, speziell Dorfsanierungen und Dorferweiterungen. In Nürnberg Boxdorf managt er beispielsweise eine innovative Dorfentwicklung: Um einen neuen Kirchweihplatz soll das Senioren- und Servicewohnen, aber auch das Wohnen für Städter, die sich gern ländlich ansiedeln möchten, gestärkt werden. Sein jüngstes Projekt führt ihn nach Berlin an den Humboldt-Hain. Da wird auf einer Fläche von 20 Fußballfeldern ein neuer Gewerbecampus in einer smarten Form entstehen – autofrei und klimaoptimiert. Weitere Projekte realisieren er und seine Mitstreiter parallel. In Nürnberg Gebersdorf zum Beispiel. Dort soll im Zuge der Stadterweiterung auf der Fläche des ehemaligen Kohlebahnhofs zwischen Kernstadt und Autobahn ein klimaoptimerter Stadtteil aus dem Boden wachsen, mit einer neuen U-Bahnstation und einem sogenannten Mobility Hub, einem Knotenpunkt, der die verschiedenen Mobilitätsangebote für Pendler und Reisende verknüpft, um Schadstoffemissionen und Verkehrsaufkommen zu minimieren. Damit einher wird ein ganz neues Stadtquartier mit Flächen für Gewerbe, für Servicewohnen und Pflegeeinrichtungen, Wohnungen für junge Familien sowie geförderten Wohnungsbau, Einkaufen und Gastronomie projektiert (siehe Foto). …

Eines seiner prämierten Projekte in Schaubildern: Klimaoptimiertes Stadtquartier in Nürnberg Gebersdorf; Luftbild heute (kleines Bild), Luftbild Wettbewerbsprojekt (links), Spaziergang durch das neue Quartier (rechts)
Was machen Stadtplaner, Städtebauer eigentlich genau? „Jede Stadt, jedes Dorf besteht aus Häusern, Straßen und Freiraum. Stadtplaner planen und entwerfen diese drei Elemente, sodass eine sinnvolle Gesamtheit entsteht.“ Das alles zusammenzufügen, ist sehr komplex, denn es gibt eine gigantische Bandbreite der Elemente Haus (vom freistehenden Einfamilienhaus über Geschosswohnungsbau bis hin zu Einkaufs-, Kultur- und Sportzentren), Straße (Autostraße, Fahrrad- und Fußwege, Schienenwege), Freiraum (Parks, Spiel- und Parkplätze, Grünanlagen). „Und wenn man sich dann überlegt, dass die Planung ein Beteiligungsprozess ist, man also mit Bürger*innen, mit Initiativen, mit Fachämtern diskutiert, die alle eine ganz persönliche Sichtweise auf das haben, was da entstehen soll, dann wird das, was einfach klingt, zu einem komplizierten Unterfangen.“
Das klingt denfinitiv nach spannenden Herausforderungen. „Ja, einen Stadtteil aus dem Nichts heraus zu entwerfen, ist spannend. Denn Häuser, Straßen und Freiräume müssen nicht nur optisch ein Bild ergeben, sondern auch funktional sein. Jeder Bewohner möchte bspw. genügend Freiraum und eine Wohnung, die gut geschnitten und ausgerichtet ist. Das ist nur die Wohnbebauung betreffend. Wir planen ja aber eine Stadt, da kommen die Nahversorgung, das Gewerbe, die Sondernutzungen, Sport, Freizeit, Grünflächen, Straßen dazu. Jedes hat seine Belange. Alles muss so konzipiert werden, dass sich ein sinnvolles Gesamtes ergibt, dass nicht das eine das andere negativ beeinträchtigt. Und, man muss die Menschen mitnehmen, ihnen vermitteln, dass die Maßnahmen in unmittelbarer Nachbarschaft gut für sie sind. Zugleich müssen neue Bewohner mit guter Wohnqualität angelockt werden. Die Entwickler, die das ganze umsetzen, überzeugt man, wenn das Projekt wirtschaftlich und gut ist. Daran merkt man, Stadtplanung ist eine typische Querschnittsdisziplin, d. h. man hat mit sehr vielen Akteuren zu tun – also nichts für Leute, die gern im stillen Kämmerlein agieren.“

Stadtplanung – von der Idee über die detaillierte Planung am PC bis hin zum Bau des Modells – erfolgt unter Berücksichtigung gestalterischer, ökologischer, sozialer, versorgungstechnischer und ökonomischer Aspekte
Und wie geht man an solch ein Projekt heran? „Wenn eine Stadt ein neues Quartier erschließen möchte, schreibt sie einen Wettbewerb aus und lädt 10, 20 Büros dazu ein, sich zu beteiligen. Den Teilnehmenden wird die Aufgabenstellung zugeschickt. In dieser finden sich Infos zum Ort, außerdem sind die jeweiligen Rahmenbedingungen und Nutzungen klar eingegrenzt. Man besichtigt den Ort und entwickelt dann über Pläne und Modelle Lösungen in einer gewissen Bandbreite. Über ein iteratives Verfahren, ein schrittweises Annähern, werden Erkenntnisse erarbeitet und diese in Schaubildern und Modellen visualisiert. Diese Pläne werden dann anonym bei der Jury – Fach- und Sachpreisrichter, Bürger*innen, Fraktionsvertreter*innen – eingereicht und von dieser begutachtet und ausgewertet. Der 1. Preisträger erhält den Auftrag und stellt seinen Entwurf nun der Stadtverwaltung, den Gremien, die an der Planung beteiligt sind, aber auch der Bevölkerung ausführlich vor.“ Es entwickelt sich ein intensiver Austausch, die Idee wird weiter optimiert.
Stadtplaner planen bzw. zeichnen viel am Computer. Die Zimmer in seinem Stadtplanungsbüro hängen voller Zeichnungen. Überall stehen Modelle, die ständig optimiert werden. Für gewöhnlich ist die Arbeit mit dem Bebauungsplan – der für alle am Bauprozess Beteiligten verbindlich ist – beendet. Aus diesem wird ersichtlich, wo und wo nicht gebaut wird, wo Straßen verlaufen, wo Parks entstehen, wie hoch die Gebäude sind, wie viele Etagen sie haben, welche Dachform, welche Fassadenart, welche Nutzung dafür festgeschrieben ist, wie die Straßen aussehen, der Anteil von geschlossenen zu offenen Flächen …
Alle Entwürfe von Prof. Bäumler zeichnen sich dadurch aus, „dass da Räume sind, die sich nicht einfach aus der Summe von Einzelentscheidungen ergeben, sondern die sehr präzise gedacht sind. Meine Entwürfe sind eher liberal und von Klarheit geprägt. Mir liegt es, Räumen eine Dimension und eine Form zu geben, denen man ansieht, dass sie kein Zufallsprodukt sind, sondern fachmännisch gestaltet wurden, stimmig sind.“
Text & Fotos: Steffi Mrosek & Büro Schellenberg + Bäumler Architekten GmbH
Voraussetzungen:
Das Abitur und Interesse. Alles andere wird gelehrt und vermittelt. Und man sollte offen sein für das Lernen und den Prozess der persönlichen Entwicklung.
So wird man Stadtplaner:
Es gibt verschiedene Studiengänge, die zum Ziel führen.
Mit kreativem Hintergrund: Architektur bzw. Landschaftsarchitektur
Mit formellem, verwaltungstechnischem Hintergrund: Stadt- und Regionalplanung bzw. Geografie
Tätigkeitsfelder
Es gibt schwerpunktmäßig fünf Facetten: Als Stadtplaner*in kann man in die Wissenschaft, Forschung, Lehre gehen. Man kann in die Verwaltung gehen, und die Planungsprozesse verwaltungstechnisch steuern. Man kann sich auf die kommunikative Steuerung spezialisieren und den Entwicklungsprozess zwischen Verwaltung, Bürgerschaft und Planung übernehmen, Stichwort Bürgerbeteiligungsprozess. Dann gibt es die Schienen entwurfsbezogene Planung, als auch die baurechtlich bezogene Planung.
Eigenschaften
Geschick im räumlichen Denken sowie strategisches Geschick, weiterhin Ausdauer, Beharrlichkeit und Kritikfähigkeit, Offenheit, Flexibilität, guten Willen und die Bereitschaft umzudenken
Weitere Infos:
https://bak.de
https://berufenet.arbeitsagentur.de