Florian Gallus lernte Kaufmann für audiovisuelle Medien und arbeitet nun als Aufnahmeleiter beim MDR in Dresden

Aufnahmeleiter Florian Gallus im Studio für die Live-Sendung Sachsenspiegel – per Handzeichen informiert er seine Kollegen darüber, wie lange der eingespielte Beitrag noch dauert
Du suchst nach einem Beruf, bei dem du nicht permanent am Schreibtisch sitzen musst, sondern häufig unterwegs bist, richtig was erleben, Land und Leute kennenlernen kannst? Dann geht es dir wie Florian Gallus. Der gebürtige Leipziger hat lange recherchiert und immer schon mit der Medienlandschaft geliebäugelt, bis er auf den Beruf Aufnahmeleiter (AL) mit dem Tätigkeitsprofil Aufnahmeleitung & Produktionsvorbereitung und -betreuung stieß und sofort Feuer und Flamme war. Nach dem Abi 2014 bewarb er sich gleich bei mehreren Funkhäusern in ganz Deutschland und hatte richtig Glück: Sein Heimatsender, der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), bot ihm einen Ausbildungsplatz zum Kaufmann für audiovisuelle Medien (AV) an, der Beruf, der ihm das Handwerkszeug vermittelt, um seinen Traumjob ausüben zu können.
„Ein absoluter Glücksgriff!“
… ist das erste, was Florian, gefragt nach seinem Beruf und seiner Ausbildung, antwortet. „Meine Vorstellungen haben sich mehr als erfüllt!“, strahlt er und legt los: Voraussetzung beim MDR sei das Abi oder Fachabi, um diesen Beruf erlernen zu können. Nicht des Bildungsstandes, sondern des Alters wegen. Man ist reifer und könne arbeitsschutzrechtlich länger arbeiten. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass der Arbeitstag 10 Stunden dauere, bzw. dass man nachts arbeite.
Seine Ausbildung absolvierte er dual – den Praxisteil beim MDR in Leipzig, die Theorie in der Gutenbergberufsschule in Leipzig.
Nach der Ausbildung wurde ihm ein Job als Aufnahmeleiter beim MDR Landesfunkhaus Dresden angeboten. „Der MDR ist Teil der ARD und somit Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dazu gehören sowohl Radio, Online als auch Fernsehen. Er ist der größte Medienpartner für die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und unterteilt in verschiedene Funkhäuser in jedem der drei Bundesländer, um regionalen Bezug bzw. regionale Expertise zu gewährleisten.“
Im bzw. aus dem Landesfunkhaus Dresden werden live der „Sachsenspiegel“, „Unterwegs in Sachsen“ und andere 30-minütige Feature produziert und gesendet, bei denen verschiedene, sowohl vorproduzierte als auch Live-Beiträge, die in etwa jeweils 2 bis 3 Minuten lang sind, anmoderiert und dann eingespielt bzw. zugeschaltet werden. Als Kaufmann für audiovisuelle Medien betreut man die Herstellung solcher audiovisueller Produkte kaufmännisch und organisatorisch. Es gibt viele Tätigkeitsfelder: Produktionsorganisation, -kalkulation bzw. -abrechnung, Marketing-Strategie, Öffentlichkeitsarbeit, Verleih und Vertrieb. Beim MDR arbeiten AV beispielsweise in der Disposition, bei Honorare und Lizenzen – ausschließlich am Schreibtisch – oder eben als Aufnahmeleiterteils – teils Schreibtisch, teils Studio, teils vor Ort irgendwo unterwegs in der Region. ALs wie Florian organisieren und leiten diese Fernseh- oder Filmproduktionen während des Sendebetriebs im Studio oder bei der Aufzeichnung der Beiträge vor Ort. Sie sind – grob gesagt – dafür zuständig, dass diese Drehs glatt und ohne große Zwischenfälle über die Bühne gehen und die Kollegen effizient ihre Arbeit verrichten können. Florian: „Man ist erster Ansprechpartner und Koordinator für alle Kollegen am Set bzw. Drehort.“
Live am Set
„Die aktuelle MAZ geht jetzt zwei Minuten. Als nächstes kommen wir zu Kamera 3, Tisch rechts.“ So oder ähnlich klingt es, wenn AL Florian am Set dafür sorgt, dass die Beiträge für das Format „Sachsenspiegel“ an jedem Wochentag bzw. -abend tagesaktuell produziert werden. (MAZ – Kurzwort für magnetische Bildaufzeichnung). Er steht direkt im Studio, aus dem live der Sachsenspiegel aufgezeichnet und gesendet wird. Mit ihm im Raum sind zwei Kammeramänner*frauen, 1 Tontechniker*in, 1 Maskenbildnerin, 1 Beleuchter*in, 1 Teleprompter*in, 1 Kabelhilfe und der oder die Moderator*innen. Florian ist hochkonzentriert und schaut immer wieder auf seinen Zettel mit dem Ablaufplan der Sendung. Ihm entnimmt er, ob als nächstes ein vorproduzierter Beitrag eingespielt wird oder der Moderator eine Ansage macht. Florian achtet auf die Zeiten, stoppt mit seiner Uhr mit, gibt immer wieder bekannt, wie lange die Einspielungen noch laufen. „Achtung, dieser Beitrag dauert jetzt noch zwei Minuten, … noch eine Minute.“ Während einer MAZ bereitet sich der Moderator auf seinen nächsten Einsatz vor. Vor dem Teleprompter liest er sich in seinen Text ein, den er zu diesem Beitrag verfasst hat. Das technische Personal richtet derweil den nächsten Hintergrund im virtuellen Studio ein. „Mein Job als Aufnahmeleiter ist es, anzusagen, welcher Beitrag als nächstes läuft, welche Kamera ihn einfährt und wo der Moderator steht.“ Der Kollege von der Beleuchtung weiß nun, welche Lichter wie angehen müssen. Der Moderator, wo er sich hinbewegen muss. Die Maskenbildnerin, wie viel Zeit ihr bleibt, um den Moderator noch schnell den Schweiß abzutupfen, frisch zu pudern und aus dem Bild zu verschwinden. Dann geht die rote Lampe an, Florian gibt nun Handzeichen. Niemand darf mehr einen Mucks von sich geben. Der Moderator spricht in die Kamera und verfolgt auf dem Vorschaumonitor, was hinter ihm eingespielt wird. „Er sieht quasi genau das, was die Zuschauer auf den Bildschirmen zu Hause sehen, obwohl er vor einer nackten, grünen Wand steht.“ Außerdem blendet Florian ihm ggf. ein Signal ein, das er von einem Co-Moderator außerhalb des Studios erhalten hat, der direkt live vom Ort eines Ereignisses berichtet und mit dem sich der Moderator im Studio unterhalten wird. Dann moderiert der Moderator den nächsten Beitrag an, der anschließend gesendet wird und so weiter und so fort bis die halbe Stunde um ist, der Wetterbericht und das kurze Schlussjingle laufen.

Nordische SKI Junioren WM Oberwiesenthal 2020 – Interview mit Eric Frenzel (das war eine einwöchige Livestream Produktion) Aufnahmeleiter Florian (Mitte) bei der Ski Junioren WM – Interview und Anmoderation der Rennen durch Jens Weißflog
Aufzeichnung (live) vor Ort
Ein weiteres Format des MDR war „MDR vor Ort“, das im Frühjahr dieses Jahres seine Zuschauer mit verschiedenen unterhaltsamen Kurzbeiträgen auf attraktive Urlaubsregionen, direkt vor ihrer Haustür aufmerksam machte. Aufnahmeleiter Florian drehte u. a. mit seinem Team im und am Kanupark Markkleeberg. Kaum zu glauben, aber: Für solch eine 30-minütige Sendung investiert ein AL zwei bis drei Tage Vorbereitungszeit. Florian beschreibt: „Die Redakteure informieren über den Drehwunsch und wann, mit welcher Technik und mit welchem Kameramann sie drehen möchten.“ Florian ruft dann die Subunternehmer (freie Kameramänner und -assistenten) an und fragt nach, ob sie diesen Dreh übernehmen können. Dann sendet er ihnen den Auftrag, der alle Infos zum Einsatz beinhaltet. „Der zuständige Aufnahmeleiter fährt vorab mit einem Technikkollegen des Übertragungswagens, einem Kameramann und einem Redakteur zur Motivbesichtigung. Es gibt eine Vorbesprechung. Wir erfassen, was technisch gewünscht wird und welche Möglichkeiten wir vor Ort haben, dies umzusetzen. Es wird beispielsweise nach dem optimalen Standort für den Ü-Wagen gesucht, damit der sich problemlos mit dem Satelliten zum Funkhaus verbinden kann. Oder es werden alle Optionen gecheckt, damit wir kurz hintereinander von verschiedenen Positionen aus senden können.“ Nach der Motivbesichtigung erarbeitet Florian einen Ablaufplan, beantragt die nötigen (Drohnen-)Drehgenehmigungen beispielsweise bei den zuständigen Behörden.
„Beim eigentlichen Dreh, der auch mal mehrere Wochen später stattfinden kann, waren wir dann zu siebt: zwei Kameramänner, zwei Kameraassistenten, die sich um Ton und Lichttechnik kümmerten, außerdem der Moderator/Redakteur, eine Maskenbildnerin und ich, der Aufnahmeleiter. “ Aufnahmeleiter Florian hat bei diesen Drehs wieder das Heft in der Hand: „Ich bin die Schnittstelle bzw. Kommunikationseinheit zwischen dem Regisseur im Funkhaus und dem Team vor Ort. Ich muss dafür sorgen, dass wir im Zeit- und Budgetplan bleiben. Ich disponiere das technische Personal. Ich stimme mich mit den Leuten, über die wir berichten, zum Zeitplan und den technischen Möglichkeiten ab. Ich kümmere mich um die kaufmännische Seite des Drehs und kläre, beispielsweise, ob der Kanupark für den Aufwand entschädigt wird und welche Honorare anfallen. Ich passe auf, dass niemand ungebeten durchs Bild schleicht und dass der Kameramann ausreichend Platz zum Filmen hat. Bei Großveranstaltungen spreche ich mit den umstehenden Menschen und informiere, dass sie gleich live auf Sendung sind. Ich bin derjenige, der um Ruhe bittet. Außerdem nehme ich Namen und Wohnort der Statementgeber auf. Ich kümmere mich um unvorhersehbare Zwischenfälle beispielsweise, wenn der Strom ausfällt, die Technik streikt oder sich ein Teammitglied unwohl fühlt und Ersatz benötigt wird.“ Wow, was für eine Liste! „Und das ist nur ein Bruchteil“, fügt er lachend an: „Im Nachgang zu solch einem Dreh, nehme ich die Rechnungen entgegen, prüfe sie und hole mir die Meinung zum Dreh vom Redakteur im Schnitt ein.“
Zweifellos ein Job für einen gut strukturierten, organisierten, stressresistenten Menschen. Jemanden, der sowohl kommunizieren, mit Zahlen und natürlich auch mit Menschen umgehen kann. „Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, selbstständiges Arbeiten, technisches Interesse, Flexibilität, Bereitschaft abends und am Wochenende zu arbeiten“, sind Florian außerdem wichtig.
Und bei welcher Fernsehproduktionen würde er gern mal seinen Namen im Abspann lesen? „Feste der Volksmusik. So doof es klingt – Florian Silbereisen und Co., das sind sehr, sehr schöne Produktionen. Da mitzumachen, wäre wirklich mal cool. Man muss ja nicht auf die Musik stehen. Aber, das ist eine Großproduktion, da steckt viel Geld drin. Das ist deutlich eine Nummer größer, als wir es hier in Dresden produzieren. Da mal mitmachen zu dürfen, wäre eine schöne Sache. Oder mal zu Olympia geschickt werden als Aufnahmeleiter oder Buchhalter,“ schwärmt er.
Ganz zum Schluss möchte Florian noch folgendes Credo loswerden: „Seit meiner Ausbildung nutze ich jede sich mir bietende Gelegenheit, um über den Tellerrand zu schauen, Seminare zu belegen, meinen Horizont zu erweitern. All meine Kollegen und deren Arbeit kennenzulernen, mir Einblick zu verschaffen, Zusammenhänge und Hintergründe zu ergründen. Erfahrungen zu sammeln, um zu wissen, wovon gesprochen wird, um eine Vorstellung zu bekommen, wie meine Kollegen arbeiten. Wesentlich ist Eigeninitiative; zu zeigen, dass man interessiert ist.“ Recht hat er!
Text: Steffi Mrosek / Fotos: Florian Gallus, MDR
Kaufmann für audiovisuelle Medien
Voraussetzungen:
möglichst Abitur, vertiefte Kenntnisse in Mathematik, Deutsch, Wirtschaft/Recht, Englisch, außerdem: u. a. Leistungs- und Einsatzbereitschaft, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen
Ausbildung:
dual, drei Jahre
Mögliche Branchen:
Rundfunkanstalten, Filmwirtschaft, Multimedia-Werbeagenturen, Verlage
Weitere Infos:
https://berufenet.arbeitsagentur.de