Interview mit Roboterethiker Prof. Dr. Armin Grunwald

Von wegen Fließbandarbeit: Künstliche Intelligenzen und Roboter werden in Zukunft Jobs erledigen, für die eine bisher höhere Ausbildung nötig ist.
Künstliche Intelligenz (KI) liegt aktuell im Trend. Computerprogramme lernen, selbstständig Muster zu erkennen. Zielsicher finden sie Katzen in YouTube-Videos, erkennen verschiedene Pflanzenarten auf Satellitenbildern oder übersetzen Texte im Handumdrehen. Die hohe Schule der KI ist aber, Roboter mit solch intelligenten Algorithmen zu kombinieren. Beim autonomen Fahren zum Beispiel. Denn egal ob im Großstadtdschungel oder auf den weiten Ebenen des Mars: KI-gesteuerte Roboter finden sich ohne menschliches Zutun zurecht. Und auch in Produktionsbetrieben, im Büro und selbst im Krankenhaus können sie Aufgaben übernehmen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren.
Doch was bedeutet das für uns? Welchen ethischen Grundlagen sollten die Systeme folgen? Welchen Regeln sollten sie gehorchen? Und wer sollte im Schadensfall haften? Der Mensch oder die Maschine? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Armin Grunwald. Der Physiker und Philosoph ist Professor für Technikphilosophie und Technikethik und leitet das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Wir wollten von ihm wissen, wie sich das Verhältnis von Menschen und Maschinen in Zukunft gestalten wird.

Prof. Dr. Armin Grunwald ist Technikphilosoph und Technikethiker am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Herr Professor Grunwald, werden KI-gesteuerte Roboter in Zukunft besser sein als Menschen?
Technik ist immer besser als wir Menschen, und das gilt nicht nur für KI. Sonst bräuchten wir sie ja gar nicht zu erfinden. Schon eine Schaufel eignet sich viel besser zum Graben von Löchern als eine menschliche Hand. Allerdings ist dieses „besser“ immer auf eine ganz bestimmte Eigenschaft oder Fähigkeit bezogen. KI-Algorithmen sind für bestimmte Problemfälle optimiert und können diese dann besser lösen als Menschen, uns zum Beispiel im Schach besiegen. Aber ich nehme an, so ein Schach-Algorithmus wird nicht gut schwimmen können und Gartenarbeit ist auch nicht seine Stärke. KI-gesteuerte Roboter sind als Spezialisten entworfen. Der Mensch hingegen ist ein Generalist. Und das Interessanteste: Das menschliche Wesen geht nicht allein in seiner technischen Problemlösefähigkeit auf.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Stellen Sie sich einen Roboter vor, der Zustelldienste übernimmt, so eine Art Briefträger. Wenn er auf dem Bürgersteig eine leblose Person antrifft, was wird er machen? Er weicht der Person aus und achtet darauf, dass er sie nicht berührt. Er umfährt das Hindernis also möglichst intelligent und stellt weiter die Post zu. Ein menschlicher Bote hingegen würde sofort seinen Dienst einstellen, sich um die Person kümmern, einen Notarzt rufen. Hier sieht man einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Maschine.
Es gibt aber sicher trotzdem Bereiche, in denen autonome Roboter in Zukunft eine Hilfe sein können?
Ja, da gibt es viele. Zum Beispiel überall dort, wo es für Menschen ziemlich riskant ist. Nicht nur im Weltraum, aber in unserer direkten Umwelt: Nach Unfällen in Kernkraftwerken oder in Chemieanlagen oder zum Minenräumen. Da sind Roboter schon heute im Dienst und das ist gut. Dann gibt es Bereiche der Autonomisierung, die einfach Effizienzsteigerungen versprechen. Das nennt sich dann Industrie 4.0. Der Roboter wird zum Kollegen. Ein anderer Bereich ist die Verkehrssicherheit: Selbstfahrende Autos sind ja ebenfalls KI-gesteuerte Roboter. Und so ein Bordcomputer trinkt keinen Alkohol, kriegt keine schlechte Laune, wird nicht müde und auch nicht aggressiv. In so einem regelgeleiteten System hat Technik einfach Vorteile gegenüber Menschen.
Ich glaube aber auch, dass die Fortschritte der KI und der Robotik es uns Menschen ermöglichen, uns selbst besser zu verstehen. Vor allem wenn wir uns damit auseinandersetzen, wann Roboter besser sind und wann sie Menschen ersetzen können, lernen wir viel darüber, was uns als Menschen ausmacht.
Entsteht dadurch zwischen Maschine und Mensch nicht auch eine Konkurrenz um den Arbeitsplatz?
Diese Arbeitsplatzkonkurrenz hat es immer schon gegeben. Denken Sie nur an die Maschinenstürmer zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder den Einzug der Industrierobotik in den 1980er Jahren. Bisher sind dadurch vor allem einfache manuelle Tätigkeiten ersetzt worden. Beim Einsatz von KI wird das anders sein. Hier findet die Konkurrenzsituation zukünftig nicht nur am unteren Ende der Bildungsskala statt.
Gerade im Umgang mit großen Datenmengen ist die KI dem Menschen in puncto Geschwindigkeit und Genauigkeit weit überlegen. Die Technik tritt also in Konkurrenz zu Berufen, für die eine mittlere Reife oder ein akademischer Abschluss notwendig sind. Das soll natürlich kein Argument gegen Digitalisierung und Industrie 4.0 sein. Nur sollten diese Effekte aus sozialpolitischer Sicht frühzeitig bedacht werden.
Microsoft-Gründer Bill Gates hat einmal gefordert, dass auch Roboter Steuern zahlen sollen. Was halten Sie von einer solchen Idee?

Eine wichtige Frage für die Zukunft: Wenn Roboter arbeiten wie ein Mensch, sollten sie dann auch Steuern zahlen wie Menschen?
Menschen müssen Steuern zahlen, wenn sie Wertschöpfung betreiben. Maschinen müssen keine Steuern zahlen, wenn sie die gleiche Wertschöpfung betreiben. Dadurch schaffen wir für uns Menschen einen künstlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Maschine. Natürlich muss vor einem solchen Schritt das Gesamtsystem betrachtet werden. Doch prinzipiell halte ich die Idee für absolut plausibel.
Es gibt Stimmen, die vor dem Ende der Menschheit durch künstliche Intelligenzen warnen. Andere sehen in ihnen eine große Chance für unsere Gesellschaft. Was denken Sie?
Das lässt sich schwer pauschalisieren. In jeder Entwicklung lassen sich Chancen sehen und auch immer Risiken. Chancen sehe ich darin, dass wir Tätigkeiten abgeben können, die unangenehm, lästig oder auch gefährlich sind. Dadurch haben Menschen mehr Zeit für andere Dinge. Nehmen wir die Pflegerobotik: Würden dort einfache Aufgaben an Roboter abgegeben, hätten die Pflegekräfte mehr Zeit für die Patienten. Dann kommt aber sofort die Frage: Würden die menschlichen Pflegekräfte nicht einfach eingespart? Und genau hier zeigt sich das eigentliche Problem. Es liegt gar nicht an der Technik, ob sie zur Chance oder zum Risiko für die Gesellschaft wird. Es liegt an unseren menschlichen Entscheidungen. Es liegt daran, wie wir die Technik einsetzen und wie wir die Ressourcen verteilen. Wie diese Zukunft wird, hängt von uns ab – und nicht davon, wie die Roboter sich verhalten.
Text: Kai Dürfeld / Bilder: Antje Kraemer Photography / Bild Prof. Dr. Armin Grunwald: KIT