Als Organisations-Entwickler hilft Simon Mohn bei der Lösung struktureller Probleme in Teams und Organisationen
Während Unternehmensberatungen mit einem ökonomisch, technisch, aber auch psychologisch ausgebildeten Expertenteam arbeiten, spielen in der Organisationsentwicklung soziale, mediale und psychologische Kenntnisse eine stärkere Rolle. Unternehmen in ökonomischen Anpassungs- und Umstrukturierungsprozessen (Personalabbau bzw. -entwicklung, Führungskräftewechsel, Standortwechsel, Einführung neuer Technik…), sind immer mehr auf Berater angewiesen, die sich mit Fragen der Unternehmenskultur, -identität und -kommunikation beschäftigen. Denn, was nützt eine strukturelle Änderung, wenn sie von den Mitarbeitern nicht mitgetragen wird? In diesem Fall kann ein Organisations-Entwickler weiterhelfen.
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Simon Mohn ist 31 Jahre alt. Er hat einen Bachelorabschluss in Politikwissenschaften und Soziologie und einen Master in Friedens- und Konfliktforschung. Während seines Master-Studiums in Innsbruck hat er sich in einem Praktikum beim Österreichisches Bundesheer mit fiktiven Geiseldramen beschäftigt.
Team-Entwickler Simon Mohn möchte Prozesse anstoßen, die in die Gesellschaft wirken
So dramatisch sind die Konflikte, mit denen er sich heute auseinandersetzt, nicht. Simon ist Organisations-Entwickler bei der SOCIUS Organisationsberatung gemeinnützige GmbH in Berlin. Er beschäftigt sich mit Störungen in Arbeitsabläufen und Kommunikationsprozessen bei Nichtregierungsorganisationen, Vereinen, Gewerkschaften und Parteien. Klingt trocken, ist aber in der Praxis äußerst lebendig. Seine Arbeit beginnt mit einer Analyse. Wenn der Geschäftsführer eines Vereins beschließt, bei SOCIUS anzurufen, weiß er nicht immer, wo das eigentliche Problem liegt. Wie jemand, der mit Schmerzen zum Arzt geht, nicht immer die Ursache kennt. Für Simon heißt das, durch geschicktes Fragen zum Kern des Problems vorzudringen und dann eine „Therapie“ vorzuschlagen. Mitunter genügen ein oder zwei gemeinsame von ihm moderierte Workshops, ein kollegialer Austausch zwischen den betroffenen Mitarbeitern zur Lösungsfindung. Manchmal sind Beratungsprozesse über mehrere Jahre notwendig, vor allem bei großen Organisationen mit vielen Mitarbeitern wie einer Gewerkschaft beispielsweise.
Sensibilität und Beobachtungsgabe sind für einen Organisations-Entwickler wichtig, denn es geht darum, Gruppendynamiken zu erkennen, einen genauen Blick von außen auf ein Team in einer Arbeitsstruktur zu werfen. Häufig werden Simon und seine Kolleg*innen mit Frustration, auch mit Wut und Tränen konfrontiert. In den Workshops von SOCIUS darf geflucht, geweint und gelacht werden. Es darf bunt werden und spielerisch. Die Art und Weise, wie SOCIUS mit den Klienten arbeitet, basiert auf einem positiven, humanistischen Menschenbild, das besagt, dass Menschen zur Höchstform auflaufen, wenn sie sich gemäß ihren Begabungen und Bedürfnissen frei entfalten können. Definitiv nicht in Zwangssituationen und unter Druck. Bereits die Website von SOCIUS vermittelt ein vollkommen anderes Bild als das einer Unternehmensberatung beispielsweise. Die Mitarbeiter*innen, die sich vorstellen, erzählen mehr über ihre Interessen und Werthaltungen als über Universitätsabschlüsse, Expertisen und Referenzen.
Prozesse analysieren
Für Simon war die Frage, für welche Ziele und in welcher Unternehmenskultur er sich einsetzt, von größter Bedeutung. „Ich wollte in ein Unternehmen, das kulturell zu mir passt, wo ich auf Kolleg*innen treffe, die so ticken wie ich. Ich wusste, dass ich nur dort zufrieden sein kann, egal, was ich verdiene und egal, was letztendlich meine Aufgabe ist.“ Jeder Prozess, jeder Workshop, den er vorbereitet und leitet, ist anders. „Ich habe einen Methodenkoffer“ sagt er über die Vorbereitung der Workshops. „Da ist etwas aus meinem Studium drin, aber das meiste habe ich in meinen ersten Berufsjahren hier gelernt. Natürlich besuche ich auch viele Workshops und schaue, wie andere es machen.“
Wie möchte sich der Organisations-Entwickler selbst weiterentwickeln, wenn er doch jetzt schon in seinem Traumjob angekommen ist? Simon denkt lange über diese Frage nach, nicht, weil ihm dazu nichts einfällt, sondern weil ihm so viel durch den Kopf geht, Themen, die ihn umtreiben, denn er ist jemand, der sich Gedanken um den Zustand der Gesellschaft und der Welt macht. „Manchmal geht unsere Arbeit über die Belange einer Organisation hinaus, zum Beispiel in die Fragen von Stadtentwicklung. Das interessiert mich, dieses Wirken in gesellschaftliche Prozesse. Ich stelle mir dann vor, einmal gesellschaftliche Prozesse, die eine ganze Stadt oder ein Land betreffen, zu begleiten. Ich würde gern ein Gesellschafts-Entwickler werden.“
Text & Fotos: Kathrin Schrader (Foto Mitte), Nina Stephainsky (Foto oben), Hans Zatocil (Foto (unten)
Organisationsentwicklung:
Organisations-Entwickler setzen sich in Unternehmen oder Organisationen mit Fragen der Unternehmenskultur, Identität und Kommunikation auseinander. Es geht um die Optimierung von Prozessen der Zusammenarbeit. Vorteilhaft sind Studienabschlüsse in Soziologie, Psychologie (Arbeitspsychologie), Friedens- und Konfliktforschung sowie Change- oder Personal-Management.