Leon fürchtet, dass seine Abschluss-Noten seine innere Ausbildungsreife nicht perfekt abbilden. Sophie möchte das nicht „Versagen“ nennen, was ihr da in einem Hauptfach passiert ist. Charlotte hat aus damals guten Gründen die Schule vor dem Abitur verlassen. Marie wiederum hat das Lernen so weit zurückgestellt, dass sie jetzt weit zurückgehen müsste, um das alles wieder aufzuholen. Und Collin hat nicht in einer Schule fürs Leben, sondern im Leben gleich mehrere Lektionen gelernt.
Jetzt bietet sich allen die Chance, eine betriebliche Ausbildung oder wenigstens ein Praktikum oder immerhin einen Vorbereitungskurs zu durchlaufen.
Vorab ein klärendes Wort
Hässliche Stellen im Notenspiegel sind kein Grund, sich zu schämen. Ein Schulbesuch ohne krönenden Abschluss kommt in den besten Familien vor. Und auch die Angst, noch nicht akkurat auf die Arbeitswelt vorbereitet zu sein, kannst Du aktiv abbauen.
Gewiss, Ausbilder und Arbeitgeber möchten von Dir Reifebescheinigungen, Schulzeugnisse, Noten sehen. Warum? Weil sie eben nichts von Dir wissen. Und vor allem, weil das, was Sie von Dir bzw. über Dich erfahren, belastbar sein soll. Immer checkt man bei der Bewerber-Auswahl diese Punkte ab: Kriegst Du es hin? (Eignung). Kniest Du Dich rein? (Lernwille). Springst Du nicht ab? (Belastbarkeit). Passt Du gut rein? (Teamfähigkeit). Stehst Du zu Deiner Verpflichtung? (Loyalität). Bedienst Du Dich nicht selbst? (Ehrlichkeit). Kann man Dich allein arbeiten lassen? (Selbstständigkeit). Akzeptierst Du die Regeln und kennst Du Deinen Platz? (Reife).
Kurzgesagt, Du brauchst nicht so tun, als wärst Du ein Musterschüler. Vor allem, wenn Du nie einer gewesen bist. Tritt besser als Macher, Mitmacher oder Selbermacher auf. In einer Ausbildung gibt es schließlich viel zu tun. Von Dir wird erwartet, dass Du viel tust, egal, ob unter Anleitung oder schon selbstständig. Und erwecke nie den Verdacht, Du wärst ein Blaumacher, Krachmacher oder Miesmacher.
So gesehen, hast Du auch als schlechter Schüler immer gute Chancen, in einem Ausbildungsbetrieb angenommen zu werden. Sei aber vorab gewarnt: Aufgehübschte, aufgeblasene, mit Fake-Angaben aufgemotzte Lebensläufe werden sofort erkannt und aussortiert. Beziehe Deine guten Lebenslauf-Daten aus Deinem Leben.
Stell Dir dazu die richtigen Fragen
Hast Du Lernleistungen außerhalb der Schule erbracht? Hast Du Aufgaben in der Familie, in der Betreuung von Geschwistern übernommen? Bist Du regelmäßig in einer Gruppe, in einer Initiative, im Verein aktiv? Warst Du da an Projekten oder Veranstaltungen beteiligt? Hast Du sportliche Leistungen erbracht? In der Mannschaft oder allein Erfolge erzielt? Hast Du schon Sprach- oder Bildungsreisen unternommen? Hast Du Dich intensiv mit einem Thema, einem Interessengebiet, einem Hobby beschäftigt? Und das Wichtigste: Kannst Du von freiwilligen Arbeitseinsätzen berichten? Von ersten Schülerjobs, Mini-Jobs oder Ferienjobs? Hilfst Du irgendwo aus? Springst Du irgendwo ein?
Aus Deinen Antworten baust Du Deinen Lebenslauf auf. Und falls Du auf diese Fragen nicht antworten kannst, dann baue aus ihnen ein Programm für das ganze Jahr auf. Finde etwas, das Du gern lernst. Finde die Gruppe, in die Du Dich einbringen kannst. Finde jemanden, der Dich für Deine Mitarbeit bezahlt. Vergiss, dass Du ein Durchschnittsschüler oder schlechter Schüler warst, gebrauche Deinen Kopf, Dein Herz und Deine Muskeln. Fange also jetzt und heute an so zu leben, dass man Dich in Zukunft als Macher oder Mitmacher erkennt.
Du wirst merken, …
dass es in der Ausbildung und im Job besser läuft, wenn Du Texte und Anweisungen leicht verstehst. Du wirst selbst Sachverhalte und Abläufe darstellen und beschreiben. Du wirst kurze Botschaften und Notizen verfassen. Es wird Dir außerdem helfen, wenn Du auch logisch-schlussfolgernd denken kannst und wenn Du das Bruch-, Dezimal- und Prozentrechnen beherrschst. Heute kommt man gewiss auch besser zurecht, wenn man grundsätzliche wirtschaftliche Zusammenhänge durchschaut und wenn man mit den Anforderungen und Regeln im persönlichen Alltag und in der Arbeitswelt vertraut ist. In der Schule hattest Du manchmal den Verdacht, Du lernst nicht für Dich. Jetzt hast Du die Gewissheit, dass Du im Leben nie auslernst.
Text: Gerhard Winkler (jova-nova.com); Fotos: Pixabay, contrastwerkstatt/AdobeStock, goodluz/Fotolia