Vokabeln lernen durch gestikulieren

Vokabeln lernen ist wirklich nicht jedermanns Sache. Stundenlang die gleiche Übung: Lesen, versuchen zu merken, wiederholen. Das ist nicht nur stupid und raubt einem die Zeit. Es nervt auch gewaltig und der Erfolg ist fragwürdig. Doch, es geht auch anders. Viel, viel leichter. und es macht sogar Spaß! Frau Dr. Manuela Macedonia ist Neuro­linguistin, d.h. sie beschäftigt sich mit Themen, die Sprache im Gehirn betreffen, insbesondere mit dem Erlernen von Fremdsprachen. Sie forscht am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und lehrt an einer österreichischen Universität in Linz.

Frau Dr. Macedonia, Sie entwickelten eine Lernstrategie, mit der man sich Vokabeln besser merken kann. Bitte verraten Sie uns diese!

Es ist ganz einfach: Wenn man eine Vokabel  lernen möchte, spricht man diese aus und führt eine Geste, die im Bezug zu diesem Wort steht, aus. Beispielsweise, wenn man das Wort bzw. die Vokabel „presently“ ausspricht, deutet man mit dem Finger auf seine Uhr. Oder wenn man „mirror“ sagt, hält man sich beide Hände vors Gesicht.  Diese jeweilige Bewegung führt der Lernende selbst aus und spricht dazu und zwar so oft, bis die Vokabel sitzt. Versuche haben bewiesen, dass die Lerneffizienz sehr viel besser ist, als bei herkömmlichen Lernmethoden.

Wie erklärt sich diese Tatsache rein wissenschaftlich?

Man sieht bei der Magnettomographie des Gehirns sehr große Gedächtnisnetzwerke, die sich über mehrere Areale ausdehnen. Wenn man ein neues Wort nur hört, dann speichert man dieses auch nur in jenen Arealen, in denen akustische Informationen verarbeitet werden. Wenn man ein Wort hört und vielleicht noch eine Illustration dazu sieht, dann speichert sich das Wort im Hörbereich und im Bereich der visuellen Informationen. Führt man jetzt noch zusätzlich eine Bewegung dazu aus, dann wird dieses Netzwerk noch viel größer. Wir speichern in mehreren Arealen des Gehirns. Jedes Gelenk, jedes Körperteil ist involviert und liefert Information an die entsprechende Stelle im Gehirn. D.h. die Vokabel ist eingefangen in einem sehr komplexen Netz, das für diese verbesserte Gedächtnisleistung zuständig ist. Im Gegensatz zum audiovisuellen Lernen – also zum Lernen mittels Hören und Lesen – ist dieses Netz sehr viel stabiler und auch langlebiger.

Und wenn man mehrere Fremdsprachen lernt? Sollte man immer dieselbe Geste für das gleiche Wort benutzen?

Ich empfehle, nur eine einzige Fremdsprache mit Gesten zu lernen, denn in dem Moment, wenn man die bestimmte Bewegung ausführt, ist diese immer nur mit dieser einen Vokabel gekoppelt. Das heißt, wenn man eine englische Vokabel mit einer Geste gelernt hat, dann wird immer nur dieses englische Wort entschlüpfen. Das System bzw. die Strategie hat also Grenzen, man kann nicht mehrere Sprachen gleichzeitig damit lernen.

Kann man von dieser Lernstrategie auch im Schulunterricht profitieren?

Ja, die Effizienz des Lernens durch Gesten kann im Schulunterricht sehr gut genutzt werden. Ich habe das fünfzehn Jahre an einer Universität mit 40 Personen im Raum praktiziert. Es ist erprobt und machbar, liegt natürlich aber am Willen der Lehrkraft. Die Disziplin und die Aufmerksamkeit der Lernenden sind dadurch gewährleistet, dass sie merken, sie profitieren vom Unterricht und haben dadurch mehr Freizeit.

Funktioniert diese Lernstrategie auch bei Menschen, die mit dem Erlernen von Fremdsprachen generell ein Problem haben?

Ja, ich konnte feststellen, dass gerade jene Menschen, die Lernschwierigkeiten bei Fremdsprachen haben, sehr von dieser Methode profitieren.

Und in der Praxis, im Gespräch? Ruft mein Gehirn irgendwann die Vokabel ohne die dazugehörige Geste ab?

Die Bewegungen werden gemeinsam in der Klasse so oft wiederholt, bis sie automatisch abrufbar sind. Irgendwann wird die Geste dann nicht mehr wiederholt, weil die Vokabel sitzt. Wenn es doch einmal passieren sollte, dass einem ein Wort nicht automatisch einfällt – bei Prüfungen beispielsweise – dann hilft es, wenn man die Geste – notfalls heimlich unterm Tisch – ausführt.

Danke für das Interview!

Weitere Infos: www.das-gehirn.com

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