„Mach das Abi! Es ist das erste große Ding im Leben, dessen Sinn man vorher nicht erkennt.“ Die in einem Web-Forum gepostete Mahnung zielt auf einen unzufriedenen Schüler mit einem ausgeprägten 10.-Klasse-Blues. Er möchte „später einfach mal an der Spitze eines kleinen Handwerksbetriebes sitzen“. Da kommt man schnell auf die Idee, dass man statt einer höheren Schule eher eine tiefergelegte Mathematik benötigt.
Karriere ohne Abi
Die meisten Schüler in Sachsen und sonst wo denken ähnlich. Sie besuchen Mittelschulen und finden, dass der Haupt- oder Realschulabschluss sie auf das Leben im Allgemeinen und auf den späteren Beruf im Besonderen passend vorbereitet. Und ein paar Jahre später? Dann drängen sich neue Überlegungen auf. Mir macht es Spaß, zu führen und Dinge zu bewegen. In meinem Beruf will ich mich weiterentwickeln. Wie weit reicht mein Karriereweg ohne akademischen Abschluss? Wie sehr lässt sich mein Gehalt noch steigern?
Die bange Frage lautet dann: „Ich habe einen Realschulabschluss, eine abgeschlossene 3-jährige Berufsausbildung, arbeite ununterbrochen in meinem Beruf und möchte nun gern studieren. Geht das ohne Abi?“
Aufnahme des Studiums
Die gute Nachricht: Zur Aufnahme eines Studiums reichen die beschriebenen Voraussetzungen bundesweit aus. Mit einem Schulabschluss und einer abgeschlossenen betrieblichen Ausbildung plus einer (mehrjährigen) Berufspraxis öffnen sich einem die Tore zur FH oder Uni. Doch stürme jetzt nicht gleich los! Die Hürde, die du nehmen musst: Je nach Bundesland hat man zuerst ein Interview oder eine schriftliche und mündliche Eingangsprüfung oder auch ein Probestudium abzulegen.
Zugangsberechtigung
Im alten Musterländle Baden-Württemberg kommen Meister bereits nach einem Beratungsgespräch von Mannheim bis Konstanz in jede Uni. Andere Berufstätige können sich zu einer Eignungsprüfung und einem anschließenden Beratungsgespräch anmelden, wenn sie eine geregelte und mindestens zweijährige Berufsausbildung sowie eine fachlich passende dreijährige Berufserfahrung vorweisen. Das neue Musterland Sachsen hat keine Meister-Regelung: Bis auf das Beratungsgespräch kennt es dieselben Eingangshürden wie Baden-Württemberg. Ohne Zusatzprüfung rutscht man in Nordrhein-Westfalen rein. Sachsen-Anhalt setzt einen Realschulabschluss plus drei Jahre Joberfahrung voraus und besteht dazu noch auf einen „Nachweis der Studienbefähigung in einer Feststellungsprüfung“. Fürchte jetzt nicht, das ganze Leben ist ein einziger großer Test. Es ist bloß eine Folge von vielen fiesen Teilprüfungen.
Prüfung
So prüft die Universität Leipzig die so genannte fachgebundene Zugangsberechtigung eines berufserfahrenen Studierwilligen ohne Abi, um zu klären, ob er begabt und vorgebildet ist: Im Fach Deutsch ein Aufsatz. In einer Fremdsprache und in Mathematik gleichfalls eine schriftliche Arbeit. Alle drei Prüfungen dauern bis zu vier Stunden. Wenn man sie besteht, kommt der Erholungsteil mit einem bis 45-minütigen Prüfungsgespräch oder einer weiteren schriftlichen Arbeit über ein Thema aus dem Studienfach. Du merkst, Mathe, Deutsch und Fremdsprachen sind wie Schnupfen. Sie kehren immer wieder zurück.
Probestudium
In manchen Bundesländern hat man die Eingangsprüfung durch ein Probestudium ersetzt. (Dann erwarten einen eben fachbezogene Prüfungen in den ersten Semestern.) Attraktiv, aber auch richtig teuer sind Auslandsstudiengänge, zum Beispiel an der Open University in London oder an US-amerikanischen Community Colleges. In Deutschland finanziert man sein Studium wie gewohnt über BAföG, über einen Bildungskredit oder über eine Förderung wie das Aufstiegsstipendium der Bundesregierung (monatlich 650 Euro plus 80 Euro Büchergeld).
Der zweite Bildungsweg
Ein ganz anderer Weg zu Wissen (und hoffentlich Wohlstand) ist der zweite Bildungsweg. Hier bieten sich viele gute Einstiegspunkte für alle, die erst einmal einen schulischen Abschluss bis hin zum Abitur anstreben. Bundesweit sicher ist: Wer lernen will, der darf nicht nur. Er wird dazu auch ermutigt!
Text: Gerhard Winkler; Foto: lightpoet (fotolia.com)