Warum sich freiwillige Praktika lohnen
Chillen oder Arbeiten? Das ist hier die Frage. Denn im Folgenden geht es um freiwillige Praktika, die Du in den Ferien oder während der vorlesungsfreien Zeit Deines Studiums absolvieren kannst.
Bringt das denn was? Geld jedenfalls nicht, denn einen Anspruch auf Bezahlung hast Du erst, wenn das Praktikum länger als drei Monate dauert. Abgesehen davon, dass jedes absolvierte Praktikum eine kleine Trophäe in Deinem Lebenslauf ist – ich erkläre gleich, warum – ist es immerhin ein kostenloser Schnupperkurs in ein berufliches Feld, das Dich interessiert.
Wilmas Praktikum
Wilma Paech ist so gar nicht der Typ Streberin. Sie hat es auch nicht eilig mit einer Karriere. Nach dem Abi wollte sie sich ein bisschen Orientierungszeit geben und ihren Träumen auf den Zahn fühlen. Ihr Plan war, nach diesem Orientierungsjahr Kunstgeschichte zu studieren. Also bewarb sie sich um ein Praktikum in der INSELGALERIE Berlin, einer Galerie, in der ausschließlich Werke von Künstlerinnen ausgestellt werden. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass dort immer mal Praktikanten gesucht werden.
- Punkt eins: Weihe so viele Menschen wie möglich in Deine Pläne ein. Sprich darüber! Frage andere nach ihren Erfahrungen mit Praktika.
Wilma bewarb sich per Email. Das ist üblich. Dafür wühlte sie ihre Aufzeichnungen aus der Zeit des Schülerpraktikums hervor. Damals hatten sie im Deutschunterricht darüber gesprochen, was in eine Bewerbung für ein Praktikum gehört.
Die Schönheit des Konkreten

Wilma Paech ist schon wieder fort. Galeristin Eva Hübner (Mitte) mit den Praktikantinnen Michele Kot und Letha Gumz.
Wilma schrieb, dass sie gerade Abitur mit Leistungskurs Kunst gemacht hat und Kunstgeschichte studieren will, und dass sie deshalb gern einen Einblick in den Alltag einer Galerie bekommen möchte. Sie schrieb, dass sie lieber in der kleinen INSELGALERIE als in einem großen Museum arbeiten möchte, da es in einem kleinen Betrieb leichter sei, ein Bild aller Arbeitsabläufe zu bekommen als in einem großen Museum mit vielen Abteilungen.
- Punkt zwei: Gib ein klares Bild von Deinen Interessen und Plänen und begründe, warum Du Dich gerade DORT bewirbst.
Im Vorstellungsgespräch wurde Wilma von der Galeristin Eva Hübner gefragt, welches Thema sie an der Arbeit der INSELGALERIE besonders interessiert. Wilma sagte, dass sie neugierig darauf ist, zu erfahren, wie die Galerie ihre Künstlerinnen findet. Eva Hübner versprach, ihr einen Einblick in das Auswahlverfahren vor der nächsten Ausstellung zu geben. Wilma erfuhr dann auch ganz konkret, was ihre Aufgabe während des Praktikums sein würde. Sie würde die Galerieaufsicht übernehmen und den Verkauf von Katalogen und Kunstpostkarten abwickeln, außerdem Fragen der Besucher beantworten und dem Büro der Galerie assistieren.
- Punkt drei: Falls Du im Bewerbungsgespräch Deinen Arbeitsbereich nicht genannt bekommst, frage unbedingt nach! Äußere Wünsche und Vorstellungen!
Am ersten Tag des Praktikums war Wilma ziemlich nervös. Klar. Aber schon nach wenigen Stunden lösten sich ihre Befürchtungen in Luft auf. „Alle waren super entspannt. Und ich habe gemerkt, dass ich mit der Arbeit gut klarkomme.“ Wilma war auch bei den wöchentlichen Teambesprechungen anwesend, und sie wurde sogar mit einbezogen, als es um die Auswahl der Künstlerinnen für die nächste Ausstellung ging.
Hat sich das Praktikum für sie also gelohnt? „Auf jeden Fall. Ich weiß jetzt, wie viel Mühe hinter einer Ausstellung steht, wie sorgfältig die Hängung der Bilder besprochen wird, was es für Probleme mit dem Transport geben kann und dass eine Galerie ein kleiner Hotspot ist, an dem sehr viele Begegnungen stattfinden, die alle irgendwie Arbeit machen.“
Im Laufe des Praktikums hat Wilma sich dann doch schon früher als geplant für ein Studium beworben, und zwar nicht der Kunstgeschichte, sondern der Literatur. „Das war ganz spontan, eines nachts, als ich auf der Seite der Freien Universität Berlin unterwegs war. Ich dachte, dass ich mich ja genauso für Literatur interessiere wie für Bildende Kunst.“ Die Zusage kam dann ganz schnell durch das Nachrückverfahren, sodass Wilma ihr Praktikum sogar früher als geplant beenden musste.
- Punkt vier: Natürlich ist es möglich, einen Praktikumsplatz früher als vereinbart zu kündigen, solange es sich um ein freiwilliges Praktikum handelt und Du nicht vertraglich gebunden bist. Es steht Dir frei, auf einem Vertrag zu bestehen oder nicht. In einem Vertrag können Dauer und Kündigungsfristen geregelt sein. Falls Du länger als drei Monate arbeitest, steht Dir der Mindestlohn zu, auch rückwirkend im Falle einer Verlängerung auf drei Monate. Übrigens haben Praktikanten sogar Anspruch auf Urlaubstage, und zwar auf einen pro Monat.
Trophäen im Lebenslauf
Zum Schluss wollte ich noch wissen, ob die Galerie von den Praktikanten profitiert, und wenn ja, wodurch? Galeristin Eva Hübner sagt: „Ich finde immer wieder spannend, wie unterschiedlich die Perspektiven auf ein Kunstwerk sind. Junge Leute sind unvoreingenommen. Sie urteilen spontan. Das finde ich wichtig. Engagierte Praktikanten sind uns eine große Hilfe, besonders auch wenn es um digitale Praktiken und Social Media geht.“ Und was spricht sie an einer Bewerbung besonders an? „Bei uns absolvieren auch Studierende Pflichtpraktika. Da gefällt es mir, wenn ich spüre, dass jemand die Sache ernst nimmt, und einen Lebenslauf mit Foto schickt. Das ist beim freiwilligen Praktikum nicht nötig. Aber generell gefällt es mir, wenn ich eine Persönlichkeit in der Bewerbung spüre und es darf auch gern eine kleine Euphorie für unsere Galerie mit drin sein. Dann weiß ich, dass die Bewerber auf unserer Website waren und sich mit unserem Programm vertraut gemacht haben.“
- Punkt fünf: Wenn es gut gelaufen ist und das Praktikum für Deinen Berufsweg strategisch wichtig ist, bitte um ein kurzes Zeugnis.
Natürlich ist der Betrieb, den Du für Dein Praktikum ausgewählt hast, nicht repräsentativ für eine ganze Branche, doch ein Stimmungsbild hast Du, das Dir entweder Lust auf Vertiefung macht oder die Klarheit darüber bringt, was Du auf gar keinen Fall willst. Auch letzteres ist ein Ergebnis. Und selbst wenn Du später in einer völlig anderen Branche ankommst, bedeutet doch jedes Praktikum, wo und wann immer Du es absolviert hast, dass Du aufgestanden bist und Dich auf eine Suche begeben hast. Es bedeutet, dass Du eine Herausforderung angenommen hast, dass Du neugierig bist und aktiv. Das alles qualifiziert Dich zusätzlich zu bestandenen Prüfungen und guten Abschlussnoten. Nicht selten wird in Firmen mehr Wert auf Engagement gelegt als auf Bestnoten.
Text und Fotos: Kathrin Schrader / Slider2: Monkey; Slider 3: Kurhan; Slider 4: goodluz; Slider 5: Alexander Raths; Slider 6: Lisa F. Young; Slider 7: contrastwerkstatt (fotolia.com)